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128 Psychische Studien. XXIV. Jahrg. 8. Heft. (März 1897.)
lässt sich genau mit der ganzen Unabhängigkeit, deren ein
Goldfischchen in seiner Wasserkugel zu gemessen scheint,
vergleichen. Der Fisch hat die Freiheit zu schwimmen, in
welcher Richtung er will; dessen ungeachtet ist er abhängig
vom Wasser, dieses wieder von der Glaskugel, diese von dem
Fenster des Gebäudes, dieses von der Erde, diese von der
Sonne, und so ist hier eine ununterbrochene Kette von
Abhängigkeiten vom Fisch bis zur Gottheit! Ebenso ist es
mit dem Menschen. Er ist physisch frei, auf dieser Erdkugel
umherzugehen; aber er kann nicht leben ohne die
beständigen Beiträge von Nahrung, Luft, Licht u. s. wv welche
ihm von der Natur zufliessen; und er ist geistig (oder
moralisch) frei, sich in dem Kreise zu bewegen, der ihm
durch seine Fähigkeit und durch den Grad seiner Ent-
wickelung vorgezeichnet ist; doch über diesen Kreis
hinaus hat er nicht mehr Freiheit, als oben vom
Fisch nachgewiesen wurde." —
Ich selbst wandte einem transscendenten Freunde durch
Frau Töpfer einmal ein, wie so Judas denn zu leiden hätte,
da doch geschrieben stände, Christus sollte verrathen werden,
also dieses eine Bestimmung gewesen sei, der Judas nicht
entgehen konnte? Die Antwort war, dass dieses allerdings
Bestimmung gewesen sei, aber Judas gerade dazu nicht
bestimmt gewesen sei, denn er hatte den freien Willen, der
Versuchung zu widerstehen; es hätte es dann ein Anderer
gethan. Wer der Verräther werden würde, sei nicht bestimmt
, aber einer von den vielen defecten Menschen würde
der Versuchung nicht widerstanden haben. Immerhin ist
aber auf solche mediumistische Mittheilungen nicht allzuviel
zu geben, da bei diesen Communicationen immer Falsches
dazwischen läuft, und wenn man viel mit Medien und
Somnambulen zu thun hat, so kann man leicht dazu kommen,
sehr wenig noch auf mediale Aussagen zu geben, sondern
sich lediglich auf Experimente zu beschränken. — Frau
Valesca Töpfer freilich bildet eine rühmliche Ausnahme. —
Es geht mir nicht anders, als du Prcl, der da sagt {»Kant
und Swedenborg" in „Die Zukunft", Nr. 48 v. 29. August
1896): — „Heute aber kennen wir sehr viele automatisch
schreibende Medien, und die Wertlosigkeit ihrer Offenbarungen
ergiebt sich schon daraus, dass sie unter einander
nicht harmoniren. Auch mir sind schon manchmal dicke
Manuscripte von gläubigen Spiritisten vorgelegt worden, die
wegen des automatischen Entstehungsprozesses meinten,
daran ein Evangelium zu besitzen, während es nur ein
Quartband voll Unsinn war. Von den Medien aber,
die solches schrieben, hat gewiss manches durch Ferngesichte
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