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Aufruf an die Tbeosophen, Occultisten u. Spiiitisten aller Länder, 137
so ändert diese Meinungsverschiedenheit nichts an ihren
Eigenschaft als übersinnlicher. Böhme1 s Werden und Wirken
ißt allein unter dieser Voraussetzung verständlich.
Aber nicht nur die Thatsächlichkeit, auch der Werth
occulter Erkenntniss wird durch Böhme bewiesen. Man hat
in neuerer Zeit oft die Thatsächlichkeit des intuitiven
Erkennens zugegeben, um zugleich auf seine Werthlosigkeit
hinzuweisen, Böhme's Bedeutung, am Maaszstabe äusseren
Erfolges gemessen, widerlegt diese Meinung aufs glänzendste.
Er, der einfache Schuhmacher, steht schon bei Lebzeiten
einem Paracelsus und Valentin Weigelt an Bedeutung gleich;
denn, wie jene Männer, kündet er den Frühlingssturm an,
mit dem bald eine neue Zeit geistigen Lebens hereinbricht.
Ja, er wird selbst einer der Pfadfinder des neuen Lebens.
Die grossen Mystiker Oetinger und Claude de St. Martin
fussen auf ihm; seine Ansichten leuchten uns 200 Jahre
nach seinem Tode in den genialen Werken eines Fichte,
Schelling, Hegel u. A. entgegen, und Schopenhauer erkennt,
trotzdem seine Philosophie auf anderem Wege das Licht
der Wahrheit zu ergründen sucht, die Bedeutung des „grossen
Mystikers" an. Während zweier Jahrhunderte schlug die
Gedankenwelt des schlichten Schuhmachers auch die
stolzesten Geister in Fesseln *)
Dieser äussere Erfolg ist nur dem inneren Werth
der Böhme'schen Werke zuzuschreiben. Wohl mag manches
darin uns fremd und dunkel dünken; wohl mag die Form
seiner Bede, statt in gefeilten und gemeisselten Worten
dahin zu fliessen, sich roh und cyklopisch aufbauen: — aber
*) Auch der grosse amerikanische Seher und Philosoph Andrew
Jackson Davis (zur Zeit noch in Boston, Mass., U. S. A., als Dr. med.
lebend) entstammt dem ehrsamen Stande der Schuhmacher und hat
uns in seiner Selbstbiographie: — „Der Zauberstab". (Deutsch in
Leipzig, Oswald Mutze, 1868) — wie in seinen — „Principien der
Natur, ihre göttlichen Offenbarungen und eine Stimme
an die Menschheit" — (deutsch daselbst 1869, 2 Bde.) sowie in
allen seinen übrigen zahlreichen Werken eine in der ganzen Weltliteratur
unvergleichlich dastehende Schilderung und Bestätigung seines
höheren hellbesinnten Zustandes gegeben, wobei er auch seines Görlitzer
grossen Vorgängers neben Swedenborg und anderen Koryphäen
des Hellsehens und Hellwissens in seinem Werke: — „Der Arzt
der Grossen Harmonie" (Leipzig, 1873) S. 159 — im wohl denkwürdigsten
Kapitel über „Die Philosophie des Todes" gedacht hat.
Äur wer Davis gründlich kennt, wird den Görlitzer Theosophen
Jacob Böhme vollständig verstehen. Dass Davis selbst, wie seine
grossen Vorgänger, wirkliche Vorschauer der Zukunft sind und waren,
beweist Davis ausser vielem Anderen im zweitgenannten Werke durch
seine „Stimmen an die Menschheit", in der die grosse, unsere Zeit bewegende
sociale Frage schon im Janre 1847 zur noch heute beaehtens-
werthen prophetischen Erörterung gelangt ist — Der Sekr. d. Red.
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