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144 Psychische Studien. XXIV. Jahrg. 3. lieft. (März 1897.)
drückens. Um zu untersuchen, in welchem Grade ich über
meine intellectuellen Kräfte während des Vorgangs verfüge,
stellte ich mir während desselben einmal die Aufgabe, meine
sämmtlichen Tagesausgaben, die aus acht bis zehn Posten
bestanden, zusammenzurechnen. Das Resultat stimmte ganz
genau mit dem überein, das ich sofort nach dem Anfall
herausrechnete. Bemerken will ich noch, dass die Lähmungserscheinungen
auch auftraten, ohne dass die Gestalt sich,
wie es zuweilen geschah, über mich herlegte. Mitunter
ereignete es sich, dass die Anfälle in einer Hacht zweimal
auftraten, oft blieben sie vier bis sechs Wochen aus, und
später wurden sie seltener. Da ich mir immer, sobald der
Anfall eintrat, sagte: — es ist Einbildung, Täuschung,
Traum, was dir da vorgaukelt, — brachte ich es schliesslich
soweit, dass die unheimlichen Gestalten ausblieben; nur war
es mir dann noch, als dränge eine dicke Finsterniss auf
mich herein. So ist es noch heute, in meinem 31. Lebensjahr
, obschon es ein ganzes Jahr oder noch länger anstehen
kann, bis mich wieder ein Alp befällt. —
Wie ist nun dieser höchst sonderbare Vorgang zu
erklären? Ja, wer das mit Bestimmtheit zu sagen
wüsste! So wenig bis heute Jemand vermocht hat, den
Traumvorgang und die Hypnose zu erklären, so wenig
wird sich Jemand erlauben können , den Alp zu erklären.
Nach dem Gesagten scheint klar zu sein, dass im Alp der
Traumzustand und der Zustand der hypnotischen Suggestion
sich nahe berühren, ja ineinander übergreifen. Es giebt ja
bekanntlich eine Reihe scharf ausgeprägter Traumtypen,
z. B. das Fallen in einen Abgrund, der Aufenthalt in
Kirchen oder auf belebten Strassen bei nur mangelhafter
oder gänzlich fehlender Kleidung, das Verfolgtwerden, wobei
dem Fliehenden Hindernisse über Hindernisse im Wege
stehen u. s. w. Sollte nicht auch der Alp ein solcher
Traumtypus sein? Man wird mir entgegenhalten, dass ich
ja selber gesagt habe, der Traum unterscheide sich vom
Alp, indem ich bei ersterem etwas Wirkliches zu erleben
vermeine, wohingegen ich den Alp während seines Auftretens
als solchen erkenne und nicht mit wirklichem Erleben
identificire. Hier aber ist die Stelle, wo sich Traum und
hypnotische Suggestion berühren, und zwar liegt der
Suggestionszustand zwischen dem Traum und dem Eintritt
des Wachbewusstseins. Denn es ist recht wohl denkbar, ja
sogar wahrscheinlich, dass der Schreck, den der Anblick der
ungeheuerlichen und unheimlichen Traumgestalt in uns
hervorruft, den hypnotischen Zustand erzeugt, in den wir
dann als Autosuggestion das Traumbild mit hinübernehmen,
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