http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1897/0193
Müller: Das hypnotische Hellseh- oder Inschau-Experiment etc. 185
solidarisch zu erklären, schliesse ich hier mit seinen
Worten*): — „Gänzliche Blindheit hat diese Zustände,
welche auch jetzt überall vorkommen, für Melancholie
u. s. w. gehalten; wer aber nur ein Mal eine Besessene
gesehen hat, ist nicht einen Augenblick im Zweifel über den
Grrundunterschied, welcher zwischen Besessenen und Wahnsinnigen
stattfindet."
12. Februar 1897.
Das hypnotische Hellseh- oder Inschau-Experiment
als Mittel zur objectiven Seelenforschung.
Von Rudolf Müller zu Iglau in Mähren.
Die Zahl der Psychologen, welche mit den occulten
Erscheinungen als Thatsachen rechnen, — so verhältniss-
mässig gering sie auch gegenwärtig noch sein mag —, ist
erfreulicher Weise schon im Wachsen begriffen. Zu dieser
Zahl gehört auch Herr Falk Schupp, welcher in der Februar-
Nummer er. der „Psych. Stud." das Phänomen der lnschau
behandelt und meine dasselbe Phänomen betreffende, im
Verlage von Arrved Strauch in Leipzig erschienene Broschüre
— „Hypnotisches Hellsehen" — einer kritischen Besprechung
unterzieht. Die ernste sachliche Würdigung,
welche Herr Falk Schupp meiner kleinen Arbeit zu Theil
werden lässt, giebt Zeugniss von der Einsicht der Wichtigkeit
der occulten Phänomene überhaupt und der besprochenen
insbesondere. Der Artikel giebt auch zugleich zu erkennen,
in welcher Weise die Anhänger der speeulativ-empirischen
Psychologie diese Erscheinungen selbst beurtheilen und auch
von Anderen beurtheilt wissen wollen. Wenn man diesen
schulgemässen — rein subjectiven — Standpunkt in der
ßeurtheilung psychologischer Dinge nicht theilt, dann
ergeben sich freilich Widersprüche, die aber keineswegs in
der geistigen Persönlichkeit des Beurtheilenden wurzeln,
sondern aus der Verschiedenheit des Standpunktes und der
Auffassung entspringen.
Und nur von seinem subjectiven Standpunkte aus ist
es überhaupt erklärlich, dass der Herr Referent den blossen
Gedanken, also den schwachen Vorstellungen eine gleiche,
oder sogar noch höhere Bedeutung zumisst, als den sinnlich
wahrgenommenen, den starken Vorstellungen. Dieser Auffassung
kann ich von meinem Standpunkte aus — der eben
*> Siehe A. Vilmar's (von Piderit nach jenes Tode herausgegebene)
„Dogroatik" I, 323.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1897/0193