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224 Psychische Studien. XXIV. Jahr*. 5. Heft. (Mai 1897.)
Als ihm am zweiten Tage das Essen abgenommen worden
war, erzählte der Junge nun seinen Eltern den Vorgang,
dass schöne Ritter ihm unterwegs Versprechungen gemacht
hätten. Die Eltern sind mit ihm an die betreffende Stelle
gegangen, und was nun da geschehen ist, vermag ich nicht
anzugeben. Sie haben wohl eine Zeit lang Essen dahin
geschafft. K.....gab in M.....seine Arbeit auf, Hess
schöne Pferdeställe bauen, das Wohnhaus und die Pferdeställe
mit rothen und schwarzen Kreuzen bemalen. Und als
nun die Kreuzritter einziehen sollten, wurden Eingang und
Thüren bekränzt, und eine Menge Menschen hatten sich
eingefunden und harrten der Dinge, die da kommen sollten.
Jemand hatte an der Giebelseite eine Leiter angelegt, und
bald darauf folgte eine Gestalt mit weissem
Betttuch und rothem Kreuz durch die Menge, auf
einem Kehrbesen reitend und zwar die Leiter hinauf in's
Fenster hinein. Die Umstehenden schrieen nun aus vollem
Halse: — „Der Kreuzritter ist da!" — Ein Original von
einer Frau, welche sehr zu schlechten Witzen geneigt war,
soll in Ermangelung der Ritter diesen Ulk ausgeführt
haben. Herr K.....war aber ein ehrenhafter Mann, hat
sich in dieser Angelegenheit nicht ausgesprochen, hat seine
frühere Arbeit wieder aufgenommen und lebt sehr zurückgezogen
.*) — In früheren Zeiten war bei dem Dorfe
Orotenlaide der Gott Crodo**) aufgestellt, und bei dem
gegenüberliegenden Dorfe Götzenthal das Götzenbild. —
Zu einer geistig kranken Frau wurde ich eines Tages
gerufen, bei der Aerzte und Wasserdoctoren bereits das
*) Auch diese Geschichte erinnert lebhaft an den Fall des einzigen
Herzogs Christian von Eisenberg mit dem König von Waldeck; siehe
den Artikel der vorhergehenden Note. — Der Sekr. d. Red.
**) Note aus Eduard Machatschek. Pfarrer zu Chemnitz, „Geschichte
des Königreichs Sachsen" 1862 S.8-9: — „Crodo (vielleicht als Helfer
der Kranken) stand in der Gestalt eines alten Mannes entblössten
Hauptes und baarfuss auf einer Säule mit einem leinenen Schurz
gegürtet, hielt in der linken Hand ein Bad, in der rechten einen
Wassereimer. Sein entblösstes Haupt sollte anzeigen, dass er mit
reinem Herzen zu verehren sei; das Bad deutet darauf hin, wie man
vereinigt gegen den Feind kämpfen müsse, und der Eimer sinnbildet
vielleicht die Zeit. Von Crodo scheinen die Dörfer Crotenlaide bei
Meerane (im sächsischen Vogtlande), Crotta bei Dohna, der Grottensee
(ein Stadttheil in Eibenstock) und Crottendorf bei Leipzig und
Scheibenberg den Namen erhalten zu haben." — Mir scheint zwar
obige symbolische Ausdeutung nicht die richtige zu sein, wir erfahren
jedoch durch sie, wie der Gott gestaltet war* Das Bad deutet wohl
eher auf den Sonnen- und der Wassereimer auf den mit ihm eng verknüpften
Wolken- und Wettergott. Sonach würde er der bald Sonnenschein
, bald Regen spendende Gott gewesen sein. —
Der Sekr. d. Red.
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