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234 Psychische Studien. XXIV. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1897,)
Nicht mit Unrecht will er auch, dass sich Jeder die Karten
selbst lege. Doch hierauf wollen wir heute nicht näher
eingehen.
Für die gemeine praktische Vernunft ist es nun unbegreiflich
, wie das mechanische Legen der Karten und
ihre scheinbar zufallige und willkürliche, gedankenlose
Auswahl ein Bild von tieferem Tnhalt und lebensvoller
Deutefähigkeit liefern können. Sofern allerdings ein so
mechanisches Verfahren stattfindet, haben die Zweifler auch
ganz recht; aber das Verfahren ist in der That nicht immer
ein solches, soll es auch nicht sein. Vielmehr charakterisirt
es sich bei guten Karten - Medien und sonst in dieser Beziehung
sensitiven Personen als ein eigentlich somnambules
! Den Beweis dafür habe ich durch folgende Beobachtung
erhalten.
Nach mehrmals kurz hintereinander wiederholtem Legen
bemerkte ich nicht nur eine gewisse nervöse Erschöpfung,
sondern auch ein eigentümliches Angegriffensein und deutliches
Schmerzen derjenigen Bewegungsnerven des rechten
Armes, der rechten und linken Hand, welche bei den
Funktionen des Mischens, vornehmlich aber nach meiner
Empfindung beim Ausziehen und Legen in Thätigkeit gesetzt
worden waren. Symptome dieser Art kommen aber
bekanntlich bei gewöhnlicher Willensthätigkeit der Arme
und Hände und bei einem so leichten Geschäft, auch selbst
bei einem viel schwereren, nicht vor, sondern es schmerzen
dann bekanntlich allenfalls die Muskeln, und von einer
Affektion dieser bemerkte ich nichts! Es kann also kein
Zweifel sein, dass die physischen Funktionen beim Kartenlegen
ihrem Wesen nach sich von solchen unter gemeinsinnlichem
oder gemeingeistigem Einfluss# stehenden unterscheiden
und sozusagen anormale sind.
Gleiches aber bemerkte ich auch nach angestrengtem
sensitiv-automatischem Schreiben, und ein befreundeter Arzt
theilte mir mit, wie sich Jemand durch übertrieben fortgesetztes
Schreiben dieser Art sogar einen Schlagfluss des
Armes zugezogen habe, was nach meiner Erfahrung durchaus
wahrscheinlich klingt. Schreiben gewöhnlicher Art aber
kann wohl bei hierzu veranlagten Personen zum Schreibkrampf
führen, niemals aber zu einem Schlagfluss. Wenn
man auch hier einen Parallelfall konstruiren wollte, so steht
dem der Umstand entgegen, dass sehr viel Leistung dazu
gehört, sich durch gewöhnliches Schreiben einen Schreibkrampf
zuzuziehen, während die nervösen Symptome beim
sogen, automatischen Schreiben schon bei einer im Ver-
hältniss sehr geringen Bethätigung dieser Art eintreten
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