http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1897/0243
Kniepf: Die somnambule Natur des Kartenlegens. 235
können. Es existirt also eine Analogie psychophysischer
Art zwischen dem unwillkürlichen Schreinen und dem
Kartenlegen.
Doch noch weiter! Auch das Tischrücken geschieht
unter den gleichen psychophysischen Bedingungen und kann
ähnliche Nerven-Symptome im Gefolge haben; ausser dem
bekannten nervösen Ziehen in den Händen, wie es wohl
jeder Experimentirende schon oft bemerkt hat, beobachtete
ich bei einem derartigen Medium intensivere Schmerzen im
Handgelenk, verbunden mit Krampf der seitlich der Pulsadern
zu Tage tretenden Venen, wobei eine deutliche
Krampfvertiefung in der umgebenden zarten Muskulatur
sichtbar wurde.
Finden bei solchen Medien telepathische Wirkungen
statt, so sehen wir das Medium noch immer entsprechende
physische Bewegungen ausführen wie bei einer entsprechenden
, gewöhnlichen Willens- und Muskelaktion. In der That
aber ist hierbei ebenfalls noch ein anderes psycho-physisches
Element thätig. Die „Entlarver" solcher Medien sehen nur
jene mit der gemeinsinnlichen Aktion identischen Bewegungen,
nicht aber den somnambulen Theil derselben, durch den
die mediumistischen Erscheinungen in der Weise zustande
kommen, dass das Nervenfluidum direkt auf die Objekte
einwirkt. Doch dies ist genügend bekannt.
Meines Wissens noch nicht von dieser Seite untersucht
ist die Mantik des Kartenlegens.*) Unser somnambules
Ich bedient sich der Bewegungsnerven in einer eigenartigen,
von ihrer gewöhnlichen Funktion abweichenden Weise,
unterwirft sie beim Mischen und Ausziehen der Blätter
seiner unsichtbaren Intelligenz. Aeusserlich sieht das
Ganze freilich aus, als sei Alles gemeine Willenshandlung,
welche man unter die Bedingung des blinden Zufalls in der
Auswahl und Anordnung der Blätter gestellt habe; in der
That aber dient unser Thun alsdann unbewusst unserer
zweiten Intelligenz, unserem „zweiten Gesicht".
Für das anscheinende Wunder nun, wieso nun die
Blätter „unbesehen" in inhaltsschwerer Reihenfolge und
Anordnung ausgezogen werden können, giebt es weitere
Analogien in dem Lesen verschlossener Briefe oder der
Blätter eines zugeklappten Buches durch im Trancezustande
befindliche Personen und in dem damit verwandten Phäno-
*) Vergl. „Psych. Stud." Septbr.-Heft 1888 S. 429 über Gambetta'a
und Bismarck** Glauben, Mai-Heft 1887 S. 232 über die Lenormand u.
Mai-Heft 1893 8. 256 ff. Schutzes Mittheilungen —
Der Sekr. d. Red.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1897/0243