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Fornaschon: Die Geschiebte eines Traumes etc. 275
Thatsache als einen Beitrag zur transscendentalen Psychologie
bezeichnet, so wird meinerseits der Fall vorläufig natürlich
gänzlich objectivirt. Der Traum war nun folgender: —
Auf einem Wege über Land kommt mein Vater in einen
Wald, in dem es um ihn herum einsam, düster und stille
ist. Keinen Laut vernimmt hier sein Ohr, als das Knacken
der dürren Waldzweige unter seinen darüber hinwegschreitenden
Füssen. In Gedanken versunken und nichts
Schlimmes ahnend, geht er seines guten Weges für sich
hin. — Plötzlich wird er durch ein Greräusch und Knistern
des Gebüsches in seiner Nähe aufgeschreckt, ein grosser
braunrother Jagdhund springt aus dem Gehölze kläffend
hervor auf ihn zu und scheint ihn angreifen und beissen
zu wollen. In Schreck und Angst bückt mein Vater sich,
schnell einige Zweige vom Boden aufraffend, um sich damit
zu vertheidigen. Aber das dürre Holz zerbricht in seiner
Hand, und obgleich er schnell andere Stücke vom Waldboden
aufnimmt, das Holz ist alles morsch, und machtlos
steht er seinem wüthenden, bellenden Angreifer gegenüber.
Die Angst wird grösser, als ein zweiter Jagdhund von
derselben Farbe sich zum ersten gesellt und mit herbei
springt, den Vater anzugreifen. Doch dazu kommt es nicht.
In demselben Augenblicke thut sich das Gezweigs des
Unterholzes auseinander, und eine Gestalt wird sichtbar
zwischen den beiden Hunden, die dem Vater einen recht
derben eichenen Handstock hinüberreicht mit den Worten:
— „Nimm diesen und vertheidige Dich damit, der wird
schon seinen Zweck erfüllen!" — Schnell greift mein Vater zu
und versetzt dem ersten Angreifer einen Hieb, dass er über
den vermeintlichen Schlag erwacht. Lebhaft sieht er noch,
wie im Traume, die ihn aus aller Noth reissende Gestalt, ein
kleines verwachsenes, buckeliches Männchen, dessen Glatzkopf
tief zwischen den Schultern sitzt, aus dessen Augen ihm
aber Treue und Klugheit entgegen leuchten, und diese
Physiognomie prägt sich dem Vater unvergess-
lich fest ins Gedächtniss. — Damit ist der Traum beendet
und nach einiger Zeit auch sein Andenken geschwunden.
Ein halbes Jahr später, im Herbst 1865, ward mein
Vater in eine Angelegenheit verwickelt, die ich der eventuellen
Bedeutung des Traumes wegen hier in einiger
Ausführlichkeit wieder geben muss. Mein Heimathsort, wo
meine Eltern Zeit ihres Lebens — bis zum Tode der Mutter
1893 — gewohnt haben, ist Domsühl,*) ein grosses, waldig
«OVerri. „Psych. Stud." XXIII. Jahrg. 1896 Heft VII. S. 315 ff.
— „Archiv nat. Mecklenburg" 1893. II. Abth. S. 131. — „Die Natur"
43. Jahrg. Nr. 22, S. 263 und 44. Jahrg. Nr. 48, S. 565 ff. —
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