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308 Psychische Studien. XXIV. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1897.)
da ich keinen Dichter finden konnte, der sich der Mühe
unterziehen wollte, mir das Gedicht zu übersetzen, so nahm
ich mir selbst die Mühe, das geehrte deutsche Lesepublikum
mit dem spiritistischen Gedichte unseres grössten Dichters
bekannt zu machen, und hoffe, dass man auch in der
mangelhaften üebersetzung die Schönheit des Originals
herausfühlen wird.
Der neuen Sonne!
Des Moments gedenk' ich gerne,
Da ieh Dich, Du neue Sonne,
Vorgeahnt als Himmelswonne
Aus so weiter, tiefer Ferne,
Nur gefühlt in heil'ger Gluth.
Anzureih'n Dich dem Juwele
Meines Glücksgestirns, die Seele
Fand begeisterungsvoll den Muth!
Und die Ahnung wird zur Wahrheit;
Siegend brechen aus dem Grabe
Ew'ger Nacht, o heiPge Gabe,
Lichte Strahlen, — Sonnenklarheit
Bringen sie; — vom trüben Blick
Zieht der finstern Mächte Nebel,
Staunend sieht man neue Hebel
Zum ersehnten Lebensgiückl
Ja, an zweier Welten Schwelle
Spendest hehres Licht Du beiden,
Nimmst dem Tode seine Leiden,
Bringst in's Dunkle Deine Helle,
Nach dem Tode stillen Hort;
Zeigst uns neue, schönre Welten,
Die als Ewigkeit uns gelten,
Die noch offenbart' kein Wort!
Trocknest heissen Sehnens Thränen,
Hellst zum Tage finstre Nächte,
Die uns schaffen Todesmächte,
Machst zu Glück Verzweiflungs-Wähnen,
Zeigst uns weitern Geistes-Steg, —,
Und dass Leichen nur als Zeichen
Bleiben, will der Geist entweichen
Und sich wählen neuen Weg!
Edens Schimmer, sel'ge Flimmer,
Höllen-Nebel, grauses Leiden
Du, o Sonne, bringst zum Scheiden,
Dunst vertreibt Dein Strahlen-Schimmer;
Und nun sieht der klare Blick
Harmonie, — in Gottes Walten
Keinen Gegensatz, — sein Schalten
Zwingt zum Fortschritt uns, zum Glück!
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