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368 Psychische Studien. XXIV. Jahrg. 7. lieft. (Juli 1897.)
ward der Stallmeister, beym Auskleiden, zum General
geruffen, der ihn um alle gehaltne Diskourse der Kompagnie
befragte. Hier erzehlte er dem von Schafgotsch das fatale
Prognostikon des M. Thiem% welcher darüber lächelte, und
befahl, man solle Augenblicks den weggegangenen Gästen
nacheilen und sie, auf Morgen früh wiederum zu ihm aufs
Sehloss zu Kynast zu kommen, einladen. Da nun alle, wie
befohlen, sich wieder einstellten, sagte Sr. Excellenz zum
M. Thiem: — „Ich möchte doch gern wiesen, ob der Hr.
Magister in Theologia oder Philosophia dergleichen Dinge
gelernet, um den Menschen einen fatalen Periodum verkündigen
zu können?" — Darnach Hess Er ein säugend
Lamm von der Heerde herbeybringen, mit Befehl, der
Magister möchte doch auch diesem Lamm die Nativität
stellen. Der Geistliche antwortete: — Dass unter einem
vernünftigen Menschen und unter einem unvernünftigen
Thier ein grosser Unterschied hierinnen sey?*) Aber
der Herr General drung stärker in ihm, seine Kunst
hier auch zu zeigen. Deswegen ersuchte M. Thiem, den
Schäfer herbeyzurufen. Von diesem erforschte er, welche
Woche, Tag und Stunde dies Lamm von seiner Mutter
geworffen sey, und nun berechnete er dessen Schicksal
astrologisch und sagte endlich öffentlich: — „Dies Lamm
wird der Wolf fressen!" — Alle Anwesenden belachten
dies. — Der General Hess den Jagd-Wagen anspannen und
fuhr mit seinen Gästen in die Waldung, heimlich aber befahl
er dem Koch, dies Lamm zu schlachten und ganz zu braten,
ohne ihm die Ursach, warum dies geschähe, anzuzeigen.
Nun war im Schlosse zu Kynast ein zahmer Wolf, der
schon länger als 10 Jahr darinnen gehalten ward, und oft
in der Küche die Braten am Feuer drehet, ohne jemals
etwas davon zu fressen. Was geschieht? Das quästionirte
Lamm wird an den Spies gesteckt, und da der Koch mit
seinen Gehülfen, andrer Geschäfte wegen, aus der Küche
geht, frisst der Wolf (ganz wider seine sonstige Gewohnheit)
dasselbe ganz auf. Da der Koch bey seiner Wiederkunft
den Wolf noch an den Knochen nagen sieht, prügelt er
zwar denselben weidlich ab, denkt aber nicht, dass eben so
vieles an dem Lamme gelegen sey. Nachdem der General
von der Jagd zurückgekommen, und sich zur Tafel setzt,
spricht er, Scherzweise, zu seinen Gästen: — „Der Wolf
hat das Lamm gefressen" —, worüber M. Thiem ziemlich
*) Man sehe hierzu die nachfolgend eingeschaltete scherzhafte
Geschichte: — „Der wahre Prophet — ein Esel!" —
Der Sekr. d. Bed.
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