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v. Gaj: Eine urkundlich beglaubigte Geisterscheinung. 403 *
höchster Angst rief: — ,ave!' — Sobald ich dies sagte,
fand ich mich, obwohl ich den Moment vorher noch kniete,
vor dem Geiste stehend, welcher an der Schwelle der Thür
stehen blieb. Ich sprach ihn mit den Worten an: — ,Jeder
gute Geist lobt* — und bevor ich noch ,Gott' sagte, antwortete
der Geist: — ,et ego!' [d. h. ,auch ich!4]
„'Obwohl ich vor Furcht zitterte, so beschwor ich ihn
doch, der Busse eingedenk, mit folgenden Worten: —
,ünter der mir angedrohten schweren Busse beschwöre ich
Dich, mir zu sagen, wer Du bist, und was Du willst?' —
Der Geist gab zur Antwort: — ,Ich bin der Geist des
verstorbenen Paters Deodat LJubic und suche schon
im fünften Kloster nach Hilfe. Ich bitte nur, eine heilige
Messe vor dem Altare des heiligen Antonius, welche ich
einem gewissen Suppan aus Gottschee aus Vergesslichkeit
schuldig blieb, statt meiner zu lesen; weiterhin drei Vaterunser
und Avemarias, welche ich einer Dame versprochen
habe, und endlich ein ,de profundis* für mich zu beten.' —
Sobald er dies gesagt hatte, verschwand er vor meinen
Augen, obwohl ich ihn bis zu diesem Momente genau gesehen
habe.
„'Dies geschah um ll1/^ Nachts. Sobald die Frühmesse
vorüber war, theilte ich das Ereigniss dem P. Bertrand mit
und dann um 2% Uhr nach Mitternacht Sr. Hoch würden
dem P. Guardian, welcher mir gleich anordnete, ich solle
um 3 Uhr Morgens die verlangte Messe lesen und Alles,
um was ich von der Erscheinung gebeten wurde, erfüllen.
Sobald ich damit fertig geworden war, ging ich in meine
Zelle, aber sowie ich die Zellenthür aufmachte, bemerkte
ich, dass mein Zimmer durch ein Licht, wie Sonnenlicht,
erhellt war. Erschrocken über das unerklärliche Licht schrie
ich auf und wollte in die Zelle des P. Bertrand flüchten,
aber statt dessen verlief ich mich in die Zelle des Paters
Guardian. Ich bat ihn, in meine Zelle zu kommen, damit
er das Licht sehe; er ging, aber als wir dorthin kamen,
war nichts mehr zu sehen. Dieselbe Nacht hörten dasselbe
Geräusch, wie ich, Sr. Hochwürden P. Guardian und Bruder
Leopold, welcher um die 11 Stunde bei selbem weilte.
,/Urkund dessen unterschreibe ich dies eigenhändig und
bekräftige es mit dem klösterlichen Amtssiegel.
,/Im Kloster Nazaret, den 20. November 1761.
(L. S.) a4P. Dominik J?retner, m. p.' —
„Zur näheren Erklärung sei Folgendes hinzugefügt: —
Die Frühmessen, von welchen hier die Rede ist, wurden um
12 Uhr Nachts am Chore gebetet. Kaiser Josef IL verbot
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