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Wald: Wie aus einem Saulus ein Paulas ward. 445
Kali phosphor., eins der vorzüglichsten Mittel gegen
Kreuzschmerzen, gegen Spinalirritation, wirkte Wunder,
denn alle Beschwerden verschwanden schon am zweiten
Tage gänzlich, um am sechsten Tage mit alter Heftigkeit
wiederzukommen. Was nun? Noch ein halbes Dutzend
Mittel versuchen? Das hätte über sechs Wochen gedauert,
und es wäre der Erfolg vielleicht auch nur ein höchst
problematischer gewesen, ebenso wie der durch die verschiedensten
Umschläge, Neptunsgürtel u. s. w. erzielte.
Ich untersuchte die Patientin nochmals genau. Ein nach
einer längst überstandenen Rippenfellentzündung zurückgebliebenes
, pleuristisches Exsudat, welches ich vorfand,
konnte auf die Kreuzschmerzen keinen Bezug haben. Harn-
Analyse resultatlos, also Nierenleiden nicht vorhanden.
Lähmungserscheinungen fehlten, Patellar - Reflexe normal,
Pupillenreaction ebenfalls, also lag auch keine Tabes
(Rückenmarksschwindsucht) vor. Jetzt wandte ich den
constant-electrischen Strom nach den Maximen der Gebrüder
AUmonda in Sagrado an. Als ich aber nach zwölf-
maliger Anwendung auf meine Frage nach Besserung noch
immer die sterotype Antwort: — „Noch ganz dasselbe!"
— erhielt, gab ich der Methode AUmonda den Abschied.
„Liebe Frau, richten Sie sich einmal auf; ich glaube,
ich habe so etwas wie eine heilkräftige Hand!" — sagte
ich eines Tages zur verzweifelten Patientin. — „Ich kann
mich nicht aufrichten, ich bin ganz steif !" — „Dann werde
ich Ihnen aufhelfen! So! Jetzt lege ich Ihnen meine linke
Hand in's Genick, die rechte auf die schmerzende Stelle.
Wenn Sie Linderung spüren, so sagen Sie es mir!" — „Jetzt
wird's schon besser!" — behauptete die Kranke nach einer
halben Minute. — „Eine angenehme Kälte zieht durch mein
Rückgrat!" — „Sie fühlen jedenfalls die Kälte meiner
Hand?" — fragte ich. — „Nein, es ist ein ganz anderes
Kältegefühl, ein sehr angenehmes, mehr wie ein Hauch!"
— „Aber meine Hand ist ja inzwischen ganz heiss geworden,
sie schwitzt ja?!" — „Ich fühle trotzdem noch immer die
wohlthuende Kälte. Jetzt fängt es an zu prickeln wie mit
tausend feinen Nadeln, — es wird immer stärker; die
Schmerzen sind fort!" — „Frau, machen Sie keine Witze!
Sie bilden sich das jedenfalls nur ein?!" — rief ich ganz
erstaunt. — „Nein, nein! Ich spüre es doch. Ich fühle
es doch ganz deutlich!" — entgegnete sie.
Nach einer Weile hörte ich auf. Ich schwitzte leicht
und meine Hände zitterten, als hätte ich Tremor senilis.
Ich hatte einmal gelesen, man müsse nach dem Magnetisiren
seine Hände in kaltes Wasser stecken. Als ich diesen
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