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Wald: Wie aus einem Saulus ein Paulus ward. 447
geschulte Somnambule hätte es gekonnt. Wo aber hätte
ich eine auftreiben sollen? — Als iqh vor Kurzem eine
Arbeit du PreH über Odmagnetismus las, erinnerte ich
mich eines Mädchens im Alter von zehn Jahren, welches
vom siebenten Jahre an bei ihrem alten klapprigen Grossvater
geschlafen hatte, von Zeit zu Zeit immer schwächlicher
und elender wurde und schliesslich an Darmtuberkulose
zu Grunde ging. Ich hatte den alten Mann einige Male an
Bronchial-Catarrh behandelt und es ihm jedes Mal untersagt
, sein Enkelkind zu sich zu nehmen, da er demselben
die ganze Lebenskraft aussauge. Leider predigte ich tauben
Ohren. Da das Kind bis zum siebenten Jahre gesund,
auch seine Eltern gesund waren, so ist das Zugrundegehen
desselben # wohl hauptsächlich dem Odmagnetismus
absorbirenden Grossvater in die Schuhe zu schieben. Ich
habe übrigens mehrere derartige Fälle beobachtet, welche
ein Beispiel geben, wie sehr man sich hüten muss, Kinder
bei alten kraftlosen Leuten schlafen zu lassen. Erfahrene
Aerzte früherer J ahrhunderte empfahlen verjüngungssüchtigen
Greisen das Trinken von Frauenmilch. Man
könnte den ersten Augenblick darüber den Kopf schütteln,
und dennoch ist dieser makrobiotische Rath durchaus nicht
unbegründet. Warum denn keine Kuhmilch? werden die
Meisten fragen; Frauenmilch unterscheidet sich von letzterer
doch nur durch grösseren Milchzuckergehalt?! Es kommt
aber hier nicht auf die chemische Zusammensetzung der
Milch an, sondern einzig und allein auf ihren Gehalt an
— Od. Ich kenne ehemals Schwindsüchtige, welche ihre
Genesung nicht dem Magen ruinirenden Kreosot, sondern
dem Genuss der Lebenskraft (Od) spendenden Frauenmilch
zu verdanken behaupten. Ich erinnere mich zahlreicher
Säuglinge, welche bei Ernährung mit beststerilisirter Kinder
(Kuh-)milch an Brechdurchfall, Scropheln u. a. zu sterben
drohten, bei denen die bestgewählten Medikamente hilflos
blieben, und welche in kurzer Zeit geheilt wurden, als man
die Kuhmilchflasche mit der milchgeschwellten Brust einer
kräftigen Amme vertauschte.
Ich erinnere mich auch verlebter, ausgemergelter ßoues,
junger Greise, Gigerln, welche kaum noch die Kraft be-
sassen, ihren dicken Spazierstock zu tragen, oder das
Monocle im Auge festzuhalten, und kurze Zeit nach Ver-
heirathung mit einem blühenden kerngesunden Weibe
wieder in der Fülle neuer Kraft strotzten. Der alte König
David, der sich „gar nicht mehr erwärmen konnte", wie es
im 1. Buch d. Könige 1. ff. heisst, wusste, weshalb er die
schöne Sunnemitin Abisaig zu sich nahm. „Und sie dienete
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