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Kurze Notizen.
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ein Fürst kaum in seiner Kellerei hat; und so schien denn
unser Magicus das Wuüder von Kana nachgeahmt zu haben,
indem er Wasser in Wein verwandelte. Nun führte uns
unser Wirth in seinen Keller > um uns seine Schätze zu
zeigen, und wir sahen da sechs Pässer gelagert, von denen
Weigel uns Proben reichte, und die nicht weniger mundeten
als jener Wein, den wir soeben geschmeckt hatten, worauf
uns unser Wirth bat, einstweilen auf sein Zimmer zurückzukehren
, da er noch etwas im Keller zu schaffen habe.
Wie wir nun die sieben Geschosse auf einer engen und
steilen Treppe mit vieler Mühe wieder hinaufgestiegen waren,
trauten wir unseren Augen kaum, als wir den Wundermann
vor der Thür seiner Stube lächelnd und aus einer langen
Pfeife rauchend stehen sahen. Und da er uns ein freundliches
'Salvete, eoliegaeP entgegen- rief, wussten wir doch
nichts zu erwiedern, so sehr waren wir erstaunt über dieses
Wunder, dessen Zeugen wir waren. Da wir ihn fragten,
wie das zugehe, lächelte er und wich unserer Neugierde
aus und fragte nach anderen Dingen." — Das Volk hielt
Professor Weigel für einen Zauberer, der Geld mache, durch
die Luft reite und mit Geistern und Dämonen Umgang
habe. In Wirklichkeit war er ein für seine Zeit hochbedeutender
Mann der Wissenschaft, dessen Kollegien oft
mehr als vierhundert Zuhörer hatten, so dass kein Hörsaal
die Menge fasste und der Lehrstuhl im Freien aufgestellt
werden musste. Trotzdem war er ein Mann der Widersprüche
, denn er eiferte gegen den Aberglauben und war
doch ein Anhänger der Astrologie; er wirkte für
Aufklärung und umgab sich zugleich mit dem Schein des
Wunderbaren. Von ihm stammt übrigens der bekannte
Spruch: — „Die Natur macht keine Sprünge!" („Natura
non facit saltum!") Unter seinen Schülern befanden sich
zwei, die später in der Wissenschaft als Sterne ersten
Ranges glänzten: — der Staatsrechtslehrer Samuel Pufendorf
und der grosse Leibniz. — Das Weigel'sche Haus steht heute
noch. W. war mit seinen Kenntnissen in der Mechanik und
Technik seiner Zeit so weit voraus, dass er bei deren
praktischer Anwendung sein Haus, das als eines der sieben
Wunder Jenas galt, sehr wohl in ein Wunderhaus verwandeln
konnte. Wiedeburg beschrieb es 1785 in seinem
Jenenser Fremdenführer. Durch den sieben Geschoss
durchziehenden Treppenschacht konnte man bei Tage vom
Keller aus die Sterne sehen. In der hohlen Treppenspindel
ging der Flaschenzug mit dem Auffahrtsgerüst. Vermittelst
einer hydraulischen Maschine leitete er das Wasser in alle
Zimmer des Hauses. Alle diese Einrichtungen, die Ende
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