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514 Psychische Studien. XXIV. Jahrg. 9. Heft. (September 1897.)
und mitternächtiges Grausen ferner gelegen, als in jener
Stunde,) als meine Braut plötzlich mit heftigem Ruck nach
rückwärts taumelte und erschreckt aufschrie: — ,0 Gott!
wer schlägt mich so sehr auf die Schultern ?' — Ich
schnellte herum und sah zu meinem nicht geringen
Schreck einen riesigen, schwarzzottigen Hund,
welcher beide Vorderpranken auf die Schultern meiner Braut
gelegt hatte. Seine Zunge hing ihm bluthroth und lechzend
aus dem Halse, seine Augen, seltsam roth und feurig, rollten
wie in Tollwuth hin und her und trafen mich mit einem
Blick, welcher mir das Blut in den Adern erstarren machte.
— ,Allmächtiger Gott, ein Hund! Steh still, Liebling, rühre
Dich nicht!1 — keuchte ich mit schwindelnden Sinnen, fest
überzeugt, dass einer der grossen Hofrüden toll geworden
sei und uns überfallen habe. Und keine Waffe zur Hand,
als wie mein kleines Taschenmesser! Blitzschnell fuhr meine
Hand in den Jlock, es zu suchen, und während ich noch
mit bebenden Fingern danach taste, zerrinnt der Hund
plötzlich wie flüssiger Nebel vor meinen Augen und
ist ebenso jählings verschwunden, wie er gekommen war.*)
Wie gelähmt vor Ueberraschung, mit verstörtem Blick
starre ich um uns her. Still und einsam liegt die weite
Rasenfläche im Sonnenlicht; kein Hund ist nah und fern
zu sehen, keine Kratz-, keine Fuszspur im Sande, und
nirgends ein Busch oder Baum, hinter welchem er hätte
entwichen sein können. Kalter Schweiss trat auf meine
Stirn; mir war's zu Sinnen wie einem Menschen, welchem
man plötzlich einen Schlag vor die Stirn versetzt. Aber
ich hatte keine Zeit zum Ueberlegen.* [Hier kürzen wir
abermals die Geschichte, welche weiter ausführt, dass die
verstörte und ohnmächtig werdende Verlobte, die erschreckten
Gärtner und Parkwächter wohl um den „schwarzen Hund"
wussten, aber sich über ihn nicht äussern wollten, so dass
der Bräutigam erst später von seiner Braut selbst näheren
Aufschluss erhielt.] ,/Sein Erscheinen verkündete Unglück
und Tod. Mit Vorliebe erschien er jungen Bräuten, welche
in der Ehe nicht glücklich werden, oder frühzeitig sterben
sollten. Zuletzt hatte ihn Tante Clementine an ihrem
Hochzeitstage gesehen. Ihre Ehe wurde schon nach zwei
*) Wer von unseren früheren Lesern gedächte hierbei nicht des
schwarzen Hundes im Sehneewirbel vor Adolfegrttn in Böhmen s.
„Psych. Stud." Februar-Heft 1894 S. 61 ff.? — Desgleichen ist Unterzeichneter
seihst dem „schwarzen Walkpudel" bei der Walkmühle vor
Dippoldiswalde und am Nikolaifriedhof daselbst unter ganz merkwürdigen
Umständen begegnet, wie in — „Weiteres Spuk- und Räthselhaftes"
berichtet werden soll. — Der Sekr. d. Red.
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