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Psychische Studien. XXIV. Jahrg. 11. Heft. (November 1897.) 595
der Artillerist machte Feuer und zündete eine Kanonierkerze
an. Alsdann sahen wir uns in einer engen, langen,
gewölbten Stube, in der ausser den vier Ecken nichts zu
finden war; ein Haufen von Holzsplittern und zerbrochenen
Stangen war indessen für uns eine hochwillkommene Entdeckung
, denn bald darauf prasselte in der Mitte des
Zimmers ein lustiges Feuer, bei dessen Schein wir in einer
Ecke eine umfangreiche Nische bemerkten. Daselbst führten
einige Stufen zu einer hohen, dunklen Doppelthüre. Wir
schoben den langen Riegel zurück und betraten eine zweite,
ebenso grosse Stube, nur war hier gleich daneben ein
Kamin und ihm gegenüber ein Gitterfenster, zur Hälfte
vermauert, und in einem Winkel ein Haufen Gerümpel, das
wir, näher herangetreten, als Theile einer Leichenbahre
erkannten; dahinter standen grosse Leuchter. Bei der
herrschenden Kälte war das Holz für die Soldaten ein
kostbares Ding, sie warfen sich also flink auf dasselbe und
begannen es zu zerstückeln, trotz Swiderski's abmahnenden
Worten: — „Pas bon cela, pas bon cela!"*) — Derselbe
wandte sich auch an mich mit der Bitte, dies nicht zu
erlauben. Ich muss eingestehen, dass ich nicht nur gegen
seine Vorstellungen taub war, sondern selbst die untere
Stufe der Bahre in die Mitte der Stube schob, damit sie
*) D. h. „Das thut nicht gut, das bringt nichts Gutes!" — Dass
übrigens Totenbahren, sowie die Hol»- und Mauerwände von
Wohnungen, unheimliche geistige Eindrücke gleichsam sowohl in ihr
Holz u. s. w. wie in einem Spiegel aufnehmen, als auch zu Zeiten ausstrahlen
und auf lebende Wesen übertragen können, davon werde ich
ein eigenes Erlebniss beim Tode der Schwiegermutter meiner ersten
Frau zu Breslau vom 27. Juni 1870 in — „Weiteres Spuk- und
Räthselhaftes" — im Laufe der folgenden Jahrgänge ausführlicher
berichten. Hier nur folgendes. Ich befand mich am Nachmittage }enes
Tages in der grossen Kirche zu Striegau in der südlichen Kreuz-Altar-
Kapelle des Querschiffes, um die schwer leserliche Minuskel-Inschrift
des steinernen Denkmals des daselbst beerdigten — „Frater Nicolaus
Herlhrvigk, huius ecclesiae pastor, obiit anno domini.,. 1542" — mit
Krimstecher u. s. w. zu entziffern, als ich seitwärts und rückwärts
tretend plötzlich unversehens an die in der Ecke stehende und von
mir bis dahin unbeachtete Totenbahre (lectica) stiess und darüber so
heftig erschrak, dass mir ganz unheimlich und übel zu Muthe wurde.
In derselben Minute kam mein Vater zur Kirchthüre herein und brachte
mir die erste preussische Postkarte, die damals ausgegeben wurde, mit
der Nachricht meiner Frau über den so eben erfogten Tod ihrer (in
„Psychische Studien" August-Heft 1898 S. 389 ff.) erwähnten Mutter
Friederike verehl. Uznanska geb. Schneider, was mich zur sofortigen
Rückreise nach Breslau bestimmte, woselbst ich beim Begräbniss
derselben bei zuvor ganz heiterem Himmel einen mir ganz unerklärlichen
, plötzlichen Regen- und Wettersturm mit Hagel und Schlössen
erlebte, von dem wir ganz durchnässt heimkehrten. —
Der Sekr. d. Red.
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