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600 Frh. P.: Erfahrungen u. Erlebnisse auf d. Gebiete d. Spiritismus.
gab ich ihm Lehsten'* Broschüre: — „Ich sterbe und lebe
doch!" — zu lesen, und dadurch animirt, willigte er ein,
einmal eine kleine S6anee zu veranstalten. Ich arrangirte
die ganze Sache, und die 20jährige Tochter Marie, zwei ihrer
Freundinnen, Frau Obergeometer T. selbst bildeten unseren
ersten bescheidenen Cirkel. Ich war bald orientirt, wer von
den Cirkelmitgliedern das Medium war, Fräulein Mizzi, wie
wir sie nannten, die ältere Tochter war es. In einigen Tagen,
als wir (Frau und Fräulein T. und meine Wenigkeit) abermals
Sitzung hielten, klopfte der Tischfuss „Emil". Emil
war ein naher Verwandter von jener Familie, der beim
Forstwesen angestellt war und im Jähzorn seinen Förster
— und nach dieser That sich selbst erschossen hatte. Als
seine Identität so ziemlich festgestellt war, fragten wir, was
er wolle, und wie es ihm ginge ? Da klopfte er uns ungefähr
folgendes: — „Leide schrecklich! Busse furchtbar, bin sehr
unglücklich." — Natürlich gewann er sofort unsere Herzen,
und wir thaten alles Mögliche, um ihn zu bewegen, uns
vielleicht eine Anleitung zu geben, wodurch wir ihm helfen
könnten. Endlich klopfte das Tischchen: — „Mizzel, komm
heute Nachts zu meiner Grabstätte, rufe daselbst dreimal
laut meinen Namen, ich werde Dir erscheinen, dann bin ich
erlöst. Bringe dieses Opfer!" — Anfangs fand diese Bitte
sowohl von Seite ihrer Eltern, so wie auch von meiner Seite
heftigen Widerstand, bis die Sache dahin abgeändert wurde,
dass Emil gestattete, statt in der Nacht um 9 Uhr Abends
zu seinem Grabe zu kommen, und dass Fräulein Mizzi nicht
allein, — wie er zuerst wollte, — sondern in Begleitung ihrer
Mutter, der Magd und in meiner Gegenwart ihre Mission
verrichten durfte.
Rechtzeitig machten wir uns fertig und langten circa
5 Minuten vor 9 Uhr am Friedhof an. Ich bewunderte das
Fräulein, die muthig, ohne die mindesten Anzeichen von
Furcht oder Beklommenheit, ihrem Erlebniss entgegen sah.
E3 war ein schöner, lauer Herbstabend (Ende September
1894), die Sterne flimmerten rein und klar hernieder, und
der Mond goss zitternd sein silbernes, blaues Licht über
diese Stätte der Abgeschiedenheit und des Friedens. Die
Grabsteine warfen gespenstische Schatten, und unsere
immerhin etwas erregte Phantasie Hess uns Alles in den
verschiedensten Illusionen erscheinen, während das Medium
selbst ruhig und kalt blieb. Wir umstanden das Grab.
Nichts regte sich weit und breit, nur der Abendwind spielte
kaum vernehmbar in den Zweigen der Thujen und Trauerweiden
.
Endlich scholl es vom Stadtpfarrthurm her in neun
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