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Psychische Studien. XXIV. Jahrg. 11. Heft. (November 1897.) <J01
langsamen, feierlichen Schlägen. Nun rief Fräulein Marie
dreimal nach Emil und sank bewusstlos, die Hände wie
abwehrend gegen das Grab hin ausstreckend, mit einem
Aufschrei in unsere Arme. So haben wir sie auch mit
vereinten Kräften nach Hause getragen. Mehr als 48 Stunden
lag die Aermste ununterbrochen im heftigsten Fieber
und phantasirte fortwährend vom „schwarzen Emil", ab
und zu wie von Krämpfen geschüttelt. Herr und Frau T.
waren verzweifelt und brachen in Verwünschungen gegen
den Spiritismus aus, der allein an der Krankheit ihrer
Tochter Schuld sei. Auch mir ging die ganze Geschichte
bedeutend zu Herzen, da ich ja doch der Urheber aller
Experimente war. Der Arzt, der konsultirt wurde, konnte
sich kein ordentliches Bild von Mizzi % Zustand machen, da
ihm selbstredend der Sachverhalt verheimlicht wurde. Am
dritten, vierten Tage endlich Hess das Fieber nach, es gab
Augenblicke, in denen das Medium wieder zu sich kam und
vernünftig zu reden begann Der sechste und siebente Tag
brachte bedeutende Besserung und Kräftezunahme. Doch
je mehr sich der Tag neigte, je näher man der neunten
Stunde entgegenging, desto unruhiger und ängstlicher wurde
Fräulein Mizzi. Diese eigentümliche Erscheinung dauerte
noch circa drei bis vier Tage, ebenso wie man das Fräulein
auch während dieser Zeit in keiner Weise an die Farbe
„Schwarz" erinnern durfte, ohne dass sie wieder in den
früheren hysterischen Zustand verfallen wäre. Jetzt schritt
die Genesung rasch vorwärts, Mizzi verliess das Bett, und
war nun in kürzester Zeit soweit hergestellt, dass man ihr
von ihrer Krankheit nichts mehr anmerkte. Das „Tischrücken"
war mit einem Schlage verpönt. Sitzung durfte keine mehr
abgehalten werden. Der kleine Tisch, der uns früher zu
unseren Experimenten gedient hatte, wurde, während das
Medium noch das Bett hüten musste, auf strengen elterlichen
Befehl auf den Dachboden getragen, und es durfte das Fräulein
unter keiner Bedingung und auf keinerlei Weise Versuche
machen, mit der Geisterwelt wieder in Verbindung zu treten.
Da geschah etwas Sonderbares. — Als Mizzi eines
Tages im Vorübergehen an einen Sessel streifte, schob sich
derselbe ihr förmlich in die Hand und klopfte zum Erstaunen
aller: — „Schönen Dank! Tausend Dank! Dir und
dem Baron, ich bin erlöst und glücklich. Emil" —
Die Freude darüber war in der Familie so gross, dass man
darob die vorhergegangenen Geschehnisse vergass und die
Seancen wieder (beinahe täglich) einführte. Das mediumi-
stische Fluidum nahm immer mehr und mehr zu, und so
kam es, dass bald recht hübsche Phänomene erzielt wurden:
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