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Kniepf: Eine neue Pythia in Leipzig.
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schaftlich exacte Begründung allein in der Astrologie finden,
— was übrigens schon Agrippa von Nettesheim behauptete.
Er sagt sogar, dass zu aller Divination die Astrologie
erforderlich sei: — »Mag ein Physiognomiker den ganzen
Körper, oder die Hand, das Gesicht, die Stirne betrachten,
mag ein Wahrsager einen Traum oder ein Auspicium
erforschen, so wird er, wenn er ein richtiges Urtheil fällen
will, ausserdem noch die Figur des Himmels in Betracht
ziehen müssen, die allein über den wahren Sinn eines
Zeichens oder einer Vorbedeutung Aufschluss zu geben
vermag u. s. w." — Das ist insofern richtig, als die Gestirne
niemals trügen können, aber die Physiognomik, die Necromantie
sind ebenfalls schon in hohem Grade sicher, wenn auch nicht
ganz so sicher, indem sich z. ß. die Handlinien oft noch
vervollständigen im Laufe des Lebens. Gewiss aber ergeben
sie die Haupteinflüsse. Hierüber lasse ich einen weiteren
Aufsatz demnächst folgen.
Kurze Notizen.
d) Musik im Hause des sterbenden Goethe. —>
Am 22, März 1832 vom Vormittag an bis zu Goethefs Tode
erscholl nach dem übereinstimmenden Berichte vieler Ohrenzeugen
in jenem Hause eine geheimnissvolle, unerklärliche
Musik. Sanft anschwellend, sanft wieder verklingend erscholl
ein langgehaltener Accord, nervenerschütternd für die in
Thränen zerflossenen Anwesenden. Dem Einen erschien es,
als ob der Klang im Garten entstünde, die Anderen glaubten,
man spiele in der Nähe Klavier oder Harmonika. Bereits
hatte Goethe^ Schwiegertochter einen Bedienten in die
Nachbarhäuser geschickt und mit Rücksicht auf den
Sterbenden sich jedes Klavierspielen verbeten; aber man
hatte allgemein versichert, zu aufrichtig Antheil zu nehmen,
als dass man die heilige Ruhe störte. Und die Musik dauerte
in längeren oder kürzeren Pausen weiter fort, bis Goethe's
Geist sich vom Körper gelöst hatte; da verstummte sie
plötzlich. 2>. („Das Neue Blatt" Nr. 50, XXVIII.
Jahrg. 1807, S. 7y7—798.)
b) Der geheimnissvolle Schrei undPistolen-
schuss. — Die französische Schauspielerin Glairon hatte
einen Herrn v. &, der sich in sie verliebt hatte, wegen seiner
ernsten Gemüthsart abgewiesen. Aus Verzweiflung darüber
war derselbe in eine schwere Krankheit verfallen und war
Abends Punkt 11 Uhr gestorben. Zu derselben Zeit sang
Clodron einer bei ihr anwesenden Gesellschaft eine Arie vor.
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