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Wittig: Weiteres Geister-, Spuk- und Rätselhaftes. 675
anderer Stücke doch noch vorgenommen, wenn der gehörige
Credit und die nöthige Unverschämtheit erreicht war. Nun
hat Weilen seine * Dolores' hervorgebracht, und, wie ich lese,
als ein rechter Pfuscher, indem er das Grosse des Motives
lang vor den Beginn des Stückes verlegt. — Indessen machen
mir solche Verluste nicht den mindesten Verdruss, denn
ich war zum Glück in meinem Leben niemals ein Stoffjäger
. U. s. w." — (Aus „Neue Briefe von Gottfried Keller."
Mitgetheilt von /. Baechtold. 11. An Emil Kuh in Heran.
„Deutsche Rundschau" Nr. 2 vom ib. October 1895.
S. 132—133.)
Ich lasse meine selige Mutter nun in eigener Angelegenheit
selbst das Wort ergreifen: — „Mein Mann hatte zu
jener Zeit noch einen Pathen, der hiess Salzwedel und besass
als Bürger der Stadt ein Haus mit Hof und Garten auf
der Hintergasse östlich an der alten Stadtmauer von
Bolkenhain. Der hatte inzwischen von mir Wunder rühmen
hören, denn mein lieber Wittig hatte nie die Seinen gross
besucht und sich um sie gekümmert, weil sie sich auch um
ihn nicht zu kümmern schienen; der Herr Pathe kam zuerst
einmal selbst mit grosser Mühe bis unter die Lauben, wo
ich feil hielt, blos um mich zu sehen, und später schickte
er wiederholt, zuletzt Montag den 20. Januar 1834, einen
Boten mit der Bitte, W. möchte ihn doch einmal mit mir
zusammen besuchen kommen. Ich kannte die Leute nicht.
Da sagte ich zu meinem Manne: — 'Geh* Du erst allein
einmal hin P — Aber Wittig mochte das nicht. Endlich kam
der zweite dringend einladende Bote: — ,Heute möchten
wir doch ja Beide zum Kaffee kommen!4 — Der gesandte
Bote Hess nicht nach, wir mussten wohl oder übel den
Besuch machen. Der schon betagte und an einem doppelten
Unterleibsbruch leidende Herr Pathe sah mich beim Empfange
lange so recht eigen und tief bedeutungsvoll an, worüber
ich mich im Stillen verwunderte. Hierauf hiess er uns
nach dieser grossen Begrüssung Platz nehmen und hob in
Gegenwart seiner weit jüngeren Frau folgendermaassen, zu
meinem Manne gewendet, zu sprechen an: — ,Mein lieber
Pathe! Da Du so brav verheirathet bist, wie ich sehe, so
wisse, dass ich zwar schon Dein Taufpathe bin, von jetzt
an aber auch Dein Vater sein werde- Denn in dem ganzen
Bolkenhain er Kreise hat's wohl keine Deiner lieben Frau
Gleiche. Mithin wirst Du, wo Du jetzt wohnst, aufsagen und
zu mir ins Haus ziehen. Der Nagel, den Du hier einschlägst,
ist Dein im Hause. Denn das Haus ist mein, aber das
Geld, was aussen steht, gehört meiner Frau. Das behält
sie. Und so lange sie lebt, ist sie Hauswirthin. Und da
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