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Fr. Sch.: Etwas über Träume.
eine Welt schafft. Ein Theil dieser Welt rückt im wachen
Zustande in das Licht des Bewusstseins.
Der Traum, haben wir gesagt, besitzt wieder seine
eigene Bewusstseinssphäre, aber er schöpft aus demselben
Borne der inneren Welt des Geistes,
Jeder Traum hat seine bestimmte Ursache und ist eine
nothwendige Folge innerer Thätigkeit der Seele. Wir sollten
daher unseren Träumen viel mehr Beachtung schenken, als
dies gewöhnlich geschieht. Traumleben ist auch Leben, nur
in anderer Gestalt als das wache. Es äussert sich in
verschiedenen Formen. Die gewöhnliche Form ist der
Schlaftraum. Die seltenere Form des Wachtraumes äussert
sich im Zustande der Vision und der Ekstase.
Der Schlaftraum lässt sich zurückführen auf äussere
Einwirkungen, oder auch auf Stimmungen der Seele.
Im Schlafe ruhen zwar die Sinne, doch für starke
Einwirkungen sind wir auch hier empfänglich. Besonders
sind es Eindrücke des Gehörs und der Körperempfindung,
welche sehr lebhafte Träume verursachen. Gerade solche
durch äussere Einwirkungen hervorgerufene Träume beweisen
uns, dass das, was in der Seele vorgeht, eben was wesentlich
anderes ist, als die blosse Nachwirkung eines sinnlichen
Eindrucks. Starkes Anziehen der Hausglocke ruft das Bild
einer Brandscene hervor, oder erinnert an den sabbathlichen
Kirchgang. Im Schlafe nachwirkender Durst bewirkt, dass
der Träumende vor dem gefüllten Wasserkrug Tantalus-
Qualen auszustehen vermeint. Entblössung der unteren
Extremitäten verursacht Träume von Umherschwimmen in
eiskaltem Wasser, oder vom Umhergehen in dürftigster
Kleidung. Habe ich, wie es öfters geschieht, im Schlafe die
Hände über der Magengegend gekreuzt, so sind immer sehr
beängstigende, an Alpdruck erinnernde Träume die Folge.
Unbequeme Lage im Bett, lautes Geräusch, plötzliche Helle,
alles wirkt im Traume nach und webt sich zusammen zu
einem Gewirr grotesker Bilder. Der sinnliche Eindruck
pocht an die verschlossene Pforte, an der jetzt nimmer der
prüfende, reflectirende Verstand steht, der das wache Be-
wusstsein beherrscht. Das leise Pochen an den Sinnespforten
wird im Innern vernommen und begegnet hier der lebhaften
Resonanz. Verschiedene Saiten erklingen in lebhaftem Accord.
Dieser volle Accord tönt um so lauter, als das ganze übrige
Orchester schweigt. Die aufgeschreckte Psyche lauscht und
wiegt sich in wundersamen Melodien des Traumes. Jähes
Erwachen, und — die Melodien klingen nach in sanfter
Erinnerung an angenehme Bilder.
Psychißohe Studien. Deoember 1897.
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