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v. Krasnicki: Karl's IV, Wahrtrauui
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ist,*) nachdem wir lange vorher von ihm in Versuchung
geführt, doch durch die Hilfe der göttlichen Gnade nicht
besiegt worden waren, schlechte und verderbte Leute, welche
unseren Vater täglich umgaben, dazu an, dass sie uns vom
rechten Pfade in die Schlinge des Elends und der Begierde
lockten; und so von Verderbten verführt, waren wir mit
den Verderbten verderbt. Als darauf unser Vater, nicht
lange nach uns, den Weg nach Parma nahm ( 3, August),
gelangten wir an einem Sonntag, auf welchen der Tag der
Himmelfahrt der heiligen Jungfrau Maria fiel (15, August),
zusammen in ein Dorf, Namens Terenzo, im Gebiete von
Parma. Hier ward uns, als wir Nachts in tiefem Schlafe
lagen, folgende Erscheinung. Ein Engel Gottes trat neben
uns zur Linken unceres Lagers, stiess uns an und sprach:
— 'Stehe auf und komme mit uns!' — Wir antworteten
im Geiste: — ,Herr, ich weiss nicht, wohin, noch auch, wie
ich mit Dir gehen soll/ — Indem er uns nun an den Haaren
des Vorderkopfes fasste, trug er uns mit sich in die Luft
empor, über eine grosse Schlachtreihe bewaffneter Reiter
hin, welche kampfbereit vor einer Burg standen. Und er
hielt uns über der Schlachtreihe in den Lüften und sprach
zu uns: — 'Blicke hin und schaueV — Und siehe da, ein
anderer Engel, der mit feurigem Schwert vom Himmel
herabfuhr, durchstiess einen Mann in der Mitte der Schlachtreihe
und verstümmelte sein Zeugungsglied mit dem Schwerte;
anscheinend zum Sterben verwundet, rang dieser auf dem
Pferde sitzend mit dem Tode. Da sprach der uns an den
Haaren haltende Engel: — 'Erkennst Du jenen, der vom
Engel durchbohrt und zu Tode verwundet worden ist?' —
,Herr, ich kenne ihn nicht/ — sprachen wir, — ,und auch
den Ort erkenne ich nicht/ — Er sprach: — 'Wisse, dies
ist der Delfin von Vienne, welcher wegen der Sünde der
Schwelgerei so schwer von Gott heimgesucht worden ist.
Jetzt also nimm Dich in Acht, und auch Deinem Vater
magst Du sagen, dass er sich vor ähnlichen Sünden hüte,
oder es wird Euch noch Schlimmeres treffen.'**) — Voll
•) Hierzu vergl. man „Psych. Stud." Juli-Heft 1893 S. 837 den
zwischen den Thtirmen der Probsteikirche von Wahlstatt angebrachten
Exorcismus-Spruch wider das Gift des Satans oder des höllischen
Drachen! — Ferner den ähnlichen Spruch der St. Benedictus-Medaille
im Juli-Heft 18Co S. 322 ff. — Der Sekr. d. Red.
**) Fast möchte man auch diese Prophezeihung als später wirklich
eingetroffen annehmen im Hinblick auf König Johann^ flottes,
rauferisehes Leben und seine n denkwürdigen Tod in der Schlacht bei
Crecy am 26. August 1346, indem er seinem Schwager Philipp, dem
Könige von Frankreich, gegen die Engländer zu Hüte eilte und sieh,
da er vor den Siegern zu fliehen verschmähte, mit einigen Freunden
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