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706 Psychische Studien. XXIV, Jahrg. 12. Heft. (December 1897.)
Gebrüder Hagenbeck haben neben einer Singhalesen-Zwerg-
truppe drei indische Fakire nach Hamburg gebracht, die
einer geladenen Gesellschaft ihre Künste vorführten. Neben
Mitgliedern der Hamburger Presse sah man Gelehrte,
Schriftsteller, Künstler und vor Allem eine Anzahl hervorragender
bekannter „Occultisten". Die indischen Fakire,
grosse hübsche Leute, leiteten, wie der Berichterstatter des
„H. Fr." erzählt, ihre Vorführungen durch leidenschaftliche
Tänze ein, die sicherlich einen stark suggestiven Einfluss
hatten und das Publikum in eine gelinde Hypnose hineinzwangen
. Die Zuschauer werden durch Musik, Beschwörungen,
Tänze, nicht nur durch die Wunder der Künste, fortwährend
ausser Athem gehalten. Und nun sahen die Staunenden
wirklich, wie in der Hand des frei dastehenden Fakirs sich
eine Quelle entwickelt, die immer aufs Neue emporsprudelt,
so oft das Näpfchen auch umgestülpt wird. Sie sahen, wie
ein vielmals zerschnittenes Turbantuch in der Hand des
Fakirs wieder — zusammenwächst, möchte man sagen.
Dieses letztere Kunststück [?] wurde unter Aufsicht eines
bekannten Hamburger Occuitisten ausgeführt, der sich zu
diesem Zwecke auf die Bühne begab und trotz genauester
Beobachtung nachher keine Erklärung der Erscheinung
finden konnte. Allein die Staunenswerthesten Sachen kommen
noch. Der Fakir nimmt einen Stein in den Mund und beginnt
alsbald Rauch und Flammen durch die Lippen aus-
zustossen; ein Napf mit Wasser wird ihm gebracht, er bläst
die Flammen gegen das Gefäss und bald beginnt das Wasser
zu sieden. Dann wird ein Mangokern in ein Häufchen Erde
eingepflanzt, Tänze und Beschwörungen beginnen, und mit
zauberhafter Schnelligkeit wächst ein Bäumchen empor, das
nachher mit Saatkorn, anhaftender Erde and Wurzeln
herumgereicht wird. Der Mangobaum (Mangifera L.) ist den
Buddhisten heilig, mit seinen Zweigen schmücken die
Brahmanen an Festtagen ihre Hütten, seine innerste Natur
ist den Indiern seit Jahrtausenden bekannt. Ist der
natürliche Vorgang des Wachsthums durch unbekannte
Mittel beschleunigt, oder handelt es sich um einen Taschenspielerkniff
? Wer giebt Antwort? [Wir!] Neben einer Anzahl
allerliebster kleiner Zauberspielereien, die ebenso unergründlich
scheinen wie die grossen, kommt endlich das berühmte
Verschwinden eines Menschen, ein aufregendes, fremdartiges
Schauspiel, das sich schwer beschreiben lässt. Die unbegreifliche
, wirklich sinnverwirrende Technik [?] übertrifft wirklich
Alles, was jemals von europäischen oder amerikanischen
Meistern der Magie geleistet worden ist. Ein Fakir zeigt
sich noch auf eigenartige Weise, indem er einen Menschen
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