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710 Psychische Studien. XXIV. Jahrg. 12. Heft. (December 1897.)
h) Mit welchen Mitteln die Gegner des
Spiritismus arbeiten, um die Sache lächerlich zu
machen, beweist folgende wenn auch nicht wahre, so doch
gut erfundene Geschichte f die kürzlich durch alle Zeitungen
lief: — „ßin amüsanter Auftritt brachte vor einiger
Zeit in San Francisco eine Spiritisten-Versammlung zu einem
unerwarteten Abschluss. Ihne schlanke, in Trauer gekleidete
Dame, die der von einem professionellen Medium arrangirten
Versammlung beiwohnte, wünschte mit ihrem dahin geschiedenen
William in Verbindung gebracht zu werden, und
das Medium versprach, William'* Geist erscheinen zu lassen.
Wenige Minuten später, so schreibt 'Karl Stangen1* Verkehrs-
zeitung', zeigten sich die schattenhaften Umrisse einer Gestalt,
und, bebend vor Freude und Furcht, fragte die Wittwe:
— ,Bist Du es, WillyV — <Ja wohl, Geliebte!* — lautete
die mit Grabesstimme gesprochene Antwort. — ,Das ist ein
Schwindel4, — rief nunmehr die Frau in entrüstetem Tone,
— ,Betrug und Humbug ist es, denn mein William war —
taubstumm!1" — (So das „Leipziger Tageblatt Nr. 535 v.
20. October er.) — Aber auch angenommen, die Geschichte
wäre wahr, wie konnte die Wittwe denn zu einem Taubstummen
eine für Alle hörbare Frage stellen, ohne doch
selbst die ihm vermeintlich nur allein verständliche Zeichensprache
dabei anzuwenden? Dass sie dies unterliess, was
sie doch so bestimmt vom Geiste ihres Gatten erwartete,
ist ein schlagender Beweis dafür, dass sie ja selbst log und
trog oder Humbug machte, oder dem Medium eine Falle
stellen wollte, und dass ihre Fragestellung sicher nicht aus
einem trauernden und mit ihrem Gatten Zwiesprache halten
wollenden Herzen kam. Die Antwort des Geistes durch das
Medium konnte immerhin in Allen deutlicher Sprache auf
die doch Allen verständliche Frage erfolgen, denn wer
vermag denn zu beweisen, dass irdisch Taubstumme es auch
als Geister stets sein und bleiben müssen? Wir haben
übrigens in Aksa/cow's — „Auiniisnius und Spiritismus44 — auch
einen von Mr. Storer berichteten Fall, in dem ein Geist durch
das Taubstummen-Alphabet redet, das nur der Fragesteller
allein verstand. (S. IT. Aufl. Bd. II, S. 648 ff.) Für unsere
sachverständigeren Leser wird das überzeugend genug sein.
Aber dergleichen Pfusch-Experimente, wie das obige, von
mit Medien nicht umzugehen verstehenden Personen können
niemals beweiskräftig sein, weil sie auf der ganz falschen
Voraussetzung beruhen, dass die Geister sich stets so mani-
festiren müssen, wie man es von ihnen erwartet, ohne alle
näheren Verhältnisse und Bedingungen des doch so compli-
cirten Mediumismus in Betracht zu ziehen. (Vgl. S. 717 ff. sub o).
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