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Kurze Notizen.
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der man ihn unterworfen hat, ein grosser Theil des ihm
eigenthümlichen Erregungsstoffes, also des Nicotins, entfernt
bezw. in Nicotinin umgewandelt ist. Ausserdem wurde das
Rauchen so lange fortgesetzt, bis die erwünschte Wirkung
eintrat, und da der Priester darauf bedacht sein musste,
diese Wirkung möglichst schleunig zu erlangen, so lässt
sich denken, dass dies ein Qualmen im wahren Sinne des
Wortes gewesen sein muss. Aus jener religiösen Auffassung
der Wirkung des Tabaks erklärt sich auch die Gewohnheit
der nordamerikanischen Indianer, bei allen Verträgen und
Uebereinkommen die 'Friedenspfeife', von ihnen 'Oalumet*
genannt, zu rauchen. Es ist dies eine tschibukartige Pfeife,
die auf der Ausstellung ohne Zweifel auch vertreten sein
wird. Man beabsichtigte mit dem Rauchen der Friedenspfeife
den gegebenen Versprechungen durch Einbeziehung
der Geisterwelt mittelst des heiligen Krautes, wie die
Indianer den Tabak nennen, eine grössere Feierlichkeit und
vor allem Unverbrüchlichkeit zu sichern. U. s. w." — Soweit
unsere Quelle, der wir noch hinzufügen: — Der
Tabak kam als Samen 1560 zuerst nach Paris, im selben
Jahre wurde die erste Schnupftabakfabrik in Sevilla
errichtet, das Tabakrauchen begann in Spanien um 1550,
in England um 1586 aus Amerika durch zurückkehrende
Ansiedler, in Deutschland um 1620, mit ßeginn des
30jährigen Krieges durch englische Hilfsvölker eingeführt,
so dass der Helmstädter Professor Tappius 1653 in seiner
Exrectoratsrede sagen konnte: — „Es giebt heutigen Tages
keine Stadt, kein Haus, wo man nicht ohne Unterschied
jeden Alters jenes staubige Nass trinkt und trunken von
trockenem Weine taumelt." — Auch der um dieselbe Zeit
lebende Satiriker Philander von Sittervald (Moscheroseh) klagt
über den üblen Geruch des Tabakrauches aus den damals
noch unfermentirten rohen Blättern. Trotz der gräulichen
Wirkung und der vielen geistlichen und weltlichen Verbote
und Strafpredigten gegen den Tabakgenuss war derselbe im
18. Jahrhundert in fast allen Ländern verbreitet. Auch
der schlesische Dichter Johann Christian Günther hat ihm
nach 1718*) sein besonderes Loblied gewidmet, sich aber
wohl durch zu frühes und vieles Hauchen in seiner ohnehin
schwachen Gesundheit geschädigt. (Vergl. „Psych. Stud."
*) Günther nennt in der 15. Strophe seines Gedichtes: — „Lob
des Knastertabaks" — den gegen die Spanier 1718—1720 fechtenden
tapfern Finge {den britischen Seehelden George Byng, geb. 1663,
f 1738), was die Zeit der Entstehung dieses Gedichtes in Leipzig auf
das Jahr 1718 feststellen lässt.
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