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8 Psychische Studien. XXV. Jahrg. 1. Heffc. (Januar 1898.)
eitern vätlicherseits im sogenannten „Ausgedinge"*) (von
1800 bis 1826) im Hause ihrer Eltern noch lebten und bei
der Flucht ihrer seit 1800 mit ihrem einzigen Sohne Ignaz
verehlichten Schwiegertochter Anna Rosina Goebel geb. Wolf
in deren Väterei nach Hermannsdorf, von wo die furchtbare
russische und französische Kanonade sie mit ihren vier
Kindern (unter denen meine achtjährige Mutter sich befand)
durch die französische Vorpostenlinie, an den Buschhäusern
des Münnichwaldes unter dem Hessberge vorüber, in
die tief im Walde versteckte Felsenhöhle des „Gottsbrichloches
" vertrieb, ebenfalls aus ihrem Hennersdorfer Wohnhause
nach Hermsdorf bei Schönau hinaufgeflüchtet waren,
wie mein Grossvater Ignaz Goebel in seinen gepachteten und
gut versteckten Obstgarten zu Willmsdorf hinter dem
Hessberge. Der Urgrossvater Anton Goebel war drei Tage
vor der Schlacht von den Franzosen als vermeintlicher
Spion eingesperrt gewesen und erst wieder freigelassen
worden, als der Kampf losgehen sollte. Das gegenseitige
Schiessen der gegen das von den Franzosen besetzt gebliebene
Hennersdorf andringenden Küssen soll bis in die sinkende
Nacht fortgedauert haben, worauf sich die Franzosen
(mit Abtheilungen von verbündeten Baiern und Württembergern
, die sich weit feindseliger benahmen, als die
eigentlichen Franzosen, und den Leuten alles demolirten
und die schwer erworbenen Federbetten aufschlitzten,)
erst langsam zurückzogen. Alle Fenster des Dorfes waren
zersprungen. Vor dem seitwärts von der Dorfstrasse und
dem dieselbe begleitenden Bache und auf einer Anhöhe in
einem Obstgarten gelegenen Hause der Grosseltern hat das
durch die Brandkugeln der Russen entzündete Dorf erst zu
brennen aufgehört. Alle Räume desselben lagen voll Verwundeter
und Sterbender, denn es waren nicht viele Bauerngehöfte
unversehrt geblieben, Hermannsdorf hingegen sollen
die Russen vergebens in Brand zu schiessen versucht haben,
ihre Kartätschen zündeten in dem strömenden Regenwetter
*) Diese Grosseltf rn erhielten als „Ausgedinge" den Nutzen vom
halben Hause und von einem Drittel des Obstgartens, in dem die
besten Bäume und Frucbtbeerensträucher standen. Dieser mein
Urgrossvater Anton Goebel war 1742 daselbst geboren und starb erst
1825, die Urgrossmutter Anna Maria geb. Opitz (alias Obst) aus
Bremberg, starb den 30. Dezember 1826, 78 Jahre alt. Beide trieben
Gartenbau und Obstzucht. Der Urgrossvater spielte nebenbei den
lustigen und schwänkereichen „Huxtbitter4* (Hochzeitsbitter) und den
Brautführer des Dorfes, welches vergnügliche und der primitivsten
Dramatik verwandte Amt mit allen seinen Ueberlieferungen und
kunstgerechten Sprüchen auch auf seinen Sohn Ignaz (meinen Grossvater
) überging. —- Der Sekr. d. Ked.
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