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v. Gumppenberg: Das mediale Schreiben etc
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Gelegenheit geben, das psychologische Element in ihnen
möglichst genau und charakteristisch kennen zu lernen.
Damit wird das entscheidende Interesse der ernstforschenden
Spiritisten (die „Glaubensspiritisten" sind eine religiöse
Secte wie andere auch) vor allem auf das sogenannte
„mediale Schreiben" oder auch „automatische
Schreiben" verwiesen.*) Keines von allen anderen spiritistischen
Phänomenen ermöglicht einen so bequemen, vielseitigen
und detaillirten Einblick in das Wesen der „spirits",
wenn man den etwas parteiisch gefärbten alten Namen
beibehalten will. „Materialisationen" und materielle „Spukerscheinungen
" ziehen von dem eigentlichen, d. h. dem
psychologischen Problem ab, durch physikalische Aeusser-
lichkeiten verwirrend, während die Mittheilungen durch
Tischklopfen oder andere Klopflaute weit mühsamer und
zeitraubender, daher in den psychologischen Resultaten
dürftiger sind, die „directe Schrift" (durch die „spirits" ohne
mechanische Benutzung einer menschlichen Hand auf einer
Schiefertafel oder einem Blatt Papier hervorgebrachte
Schriftzüge) aber zu selten gelingt, als dass sie jemals
international-allgemeinen psychologischen Beobachtungen zu
Grunde gelegt werden könnte. Andererseits ist der Verdacht,
dass bei dem automatischen Schreiben der plumpe Betrug
ein leichtes Spiel hätte, nur auf lächerliche Täuschung durch
den äusserlichsten und oberflächlichsten Eindruck zurückzuführen
. Schärfere und vorurtheilsfreie Beobachtung überzeugt
sich leicht und rasch, dass das bewusste Ich eines
„Schreibmediums" mit dem Autor der niedergeschriebenen
Mittheilungen ebensowenig identisch sein kann als das
bewusste Ich irgend eines oder aller Sitzungsteilnehmer;
während jeder Erfahrene weiss, dass ganz im Gegentheil
bei den anderen spiritistischen Phänomenen bewusster Betrug
eines Pseudomediums wie unbewusster Betrug eines echten
Mediums insofern leichter ist, als das Ueberraschendere,
Eascinirendere, Suggestivere und Aufregendere der physikalischen
Manifestationen in hohem Grade zerstreuend wirkt
und selbst zuverlässigen Beobachtern die ruhig-nüchterne
Prüfung ausserordentlich erschwert. Tritt zum Beispiel das
Materialisationsmedium in unbewusstem Betrüge als die
angebliche Materialisation des auf sie einwirkenden „spirit"
aus dem sogenannten „Kabinet" verhüllt unter die Sitzungsteilnehmer
, so ist entschieden eine Täuschung leichter, als
wenn ein Schreibmedium unbewusst die Meinungen oder
Wünsche des betreffenden „spirit" durch wohlbekannte
*) Man sehe hierzu die folgende Note des Sekr. d» Red.
Psychische Stadien. Januar 1898. 3
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