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Kurze Notizen.
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sprochen und geschrieben worden, und es giebt Leute genug,
die nicht blos die Möglichkeit, sondern auch die Wirklichkeit
des Fernsehens behaupten, aber ein wissenschaftlicher
Beweis dafür wurde nicht geliefert. [?] Diesem Mangel ist
nunmehr, wie es scheint, abgeholfen. Wie Henri de Parville
im ^ Journal des Debats nach der „Semaine medicale"
berichtet, hat Dr. Grasset, Professor an der medicinischen
Facultät zu Montpellier, der dortigen Akademie der
Wissenschaften ein Memorandum unterbreitet, in welchem
er über ein Experiment berichtet, das er in Gemeinschaft
mit dem Arzte Dr. Ferroul in Narbonne angestellt hat.
Dr. Ferroul hatte ihm vor einiger Zeit mitgetheilt, er kenne
eine Frau, welche die Fähigkeit des Hellsehens besitze.
Dr. Grasset beschloss, diese Fähigkeit auf die Probe zu
stellen; Dr. Ferroul erklärte sich zur Unterstützung bereit
und erlaubte dem Dr. Grasset auch, alle möglichen Vorsichts-
maassregeln gegen ihn selbst zu treffen. Unter verschiedenen
Arten des Hellsehens wählte Dr. Grasset diejenige des Sehens'
durch feste und verschlossene Körper. Er hatte in Narbonne
mündliche Verabredung mit Dr. Ferroul getroffen, ihm aber
nichts über die Art gesagt, wie er seinen Plan auszuführen
gedachte. Nach Montpellier zurückgekehrt, nahm er ein
Blatt Papier und schrieb darauf die folgenden Worte: —
Le ciel profond reflete en etoiles nos larmes,
Oar nous pleurons ce soir de nous sentir trop vivre.
Montpellier, ce 28 Octobre 1897.
Darunter schrieb er noch ein russisches Wort in grossen
Buchstaben, ein kleineres deutsches und ein ganz kleines
griechisches Wort. Dann faltete er das Papier mit der
Schrift nach Innen zusammen und legte das zusammengefaltete
in einen Umschlag von Chocoladepapier, das er
an den Rändern umschlug; das Ganze kam in ein gewöhnliches
Couvert, das mit gummirten Rändern verschlossen
wurde. An der Stelle, wo die Ränder zusammentrafen, steckte
er eine Nadel in das Couvert, so dass sie zur Hälfte hervorragte
, übergoss sie mit schwarzem Siegellack und drückte
darauf sein Petschaft mit seinem Wappen. Dem so verschlossenen
Couvert fügte er eine Karte bei mit einigen
Zeilen an Dr. Ferroul, steckte Beides in ein grösseres Couvert
und adressirte dieses an Dr. Ferroul Am 28. October ging
das Couvert zur Post. Am 30. October erhielt er von
Dr. Ferroul folgendes Schreiben: — „Mein lieber Meister!
Als ich diesen Morgen Ihre Sendung erhielt, hatte ich mein
Medium nicht gerade bei der Hand. Ich öffnete den Hauptumschlag
, der das verschlossene Couvert und Ihre Karte
enthielt. Da ich meine Besuche machen musste, beschloss
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