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94 Psychische Studien. XXV. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1898.)
werden sich überzeugen, wie viele scheinbar sinnlose Träume
eine tiefe Bedeutung haben.
Träume sind auch Ursachen von Ahnungen, Dies
erklärt Dr. Carl du Prel folgendermaassen: — „Unsere Seele
hat im Traume die Vision irgend eines Unglückes, das uns
treffen wird. Wenn wir uns wach des Traumes erinnern,
so werden wir wissen, warum wir übelgelaunt erwachten;
wenn nicht, dann wird uns in der Seele ein unbegreifliches
Unbehagen als Rest des Traumeindruckes bleiben — die
Ahnung."
Es unterliegt keinem Zweifel, dass auch beim Gebrauche
des erwähnten Schlüssels viele Träume sinnlos bleiben
werden. Daraus dürfen wir aber nicht folgern, dass das
Wahrnehmen der Seele ein eben solches war, sondern
entweder, dass in unserem Gehirne nur Fragmente der
Wahrnehmungen zurückgeblieben sind, oder dass dieses
Wahrnehmen durch physische Eindrücke gestört wurde.
Damit wir dies begreifen können, müssen wir berücksichtigen,
dass wir uns Träume entweder als
1) Resultat physischer, auf den Körper einwirkender
Eindrücke, oder
2) als Resultat telepathischer, auf die Seele einwirkender
Eindrücke, oder
3) als Resultat eines unmittelbaren geistigen Wahrnehmen
s der Seele, oder endlich
4) als Resultat der Suggestionen der Geister oder
Seelen der Verstorbenen — vorzustellen haben.
Berücksichtigen wir also, was Alles einen Traum verursachen
kann, welche Hindernisse beim Begreifen der
Symbolik der Träume bestehen, wie Eindrücke, welche im
Gehirne zurückbleiben, durch spätere Eindrücke verwischt
oder zerstückt werden: so dürften wir begreifen lernen,
warum visionäre Träume so selten vorkommen, oder präciser
gesagt: warum wir uns so selten an solche Träume erinnern,
warum die meisten Träume scheinbar sinnlos bleiben. Wer
sich der Mühe unterzieht, jeden markanteren Traum einzuschreiben
, (wie ich schon vom Jahre 1894 ab thue), wird
im Laufe der Zeit und Ereignisse bemerken, wie ihm
mancher Traum symbolisch zukünftige Geschehnisse,
mancher das wahre Denken unaufrichtiger Freunde, mancher
einen guten Rath u. s. w., andeutete. Deswegen ist auch in
dieser Hinsicht das Studiren der Träume und ihrer eventuellen
Bedeutung nicht so nutzlos, wie man bei oberflächlicher
Betrachtung denken könnte.
Nun werde ich einige Beispiele anführen um die Richtigkeit
meiner Theorie von den Ursachen der Träume zu beweisen.
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