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Kurze Notizen.
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im Regen, eine ungeheure Strecke; wobei der Mensch
übrigens auch einmal zu Schaden kommen kann, — nachher
findet man vielleicht seinen Leichnam zerschmettert in
einer Schlucht. (I. ßeg. 18, 12 ff. 46; II. 2, 1(5.) Auch
die Gabe, wunderbar zu hören und zu sehen, besitzt Elias;
man hat sich von ihm erzählt, dass er das Rauschen des
Regens stundenlang vorher gehört habe. Und anders als
bei gewöhnlichen Menschen wirkt sein Wort; er ist im
Stande, — so glauben seine Zeitgenossen, — wirkende
Jakveworte zu sprechen; so vermag er in Jahve's Namen
dem Regen zu gebieten, und der Regen gehorcht. Dies
also müssen wir uns vorhalten, wenn wir Elias verstehen
wollen: er ist kein gewöhnlicher Mensch; sein ganzes Wesen
macht einen sonderbaren, imponirenden, unheimlichen Eindruck
; alle Wunder hat ihm seine Zeit zugetraut. Zu dem
Wunderbaren gehört auch die Art seines Auftretens: plötzlich
zur Stelle, plötzlich verschwunden. Er redet kurz, gewaltig
, flammende Worte. — Viele der Propheten gewöhnlichen
Schlages mochten Elias in Manchem ähnlich sein;
aber er ist doch viel mehr als sie. Er verschmäht es nicht,
Gaben von Gläubigen in Empfang zu nehmen; aber er ist
weit entfernt, aus dem Prophetenthum ein Gewerbe zu
machen. Der grosse Mann mag sich einmal zur Noth des
Armen herunterneigen und einei Wittwe helfen; aber seine
eigentliche Sphäre sind die grossen Dinge, die das ganze
Volk angehen. Er ist, wie auch andere in seiner Zeit waren,
ein 'politischer* Prophet; aber er steht nicht ,wie die gewöhnlichen
Politiker unter den Propheten, auf Seite der Herrschenden
, sondern vielmehr tritt er dem Könige entgegen:
hierin also gleicht er einem Micha, dem JFeinde Ahab's, einem
Samuel, als der Saufs Königthum verwarf. Ja mehr als
Samuel und Ahia, er tritt in Gegensatz zu seinem Volke
selbst: er weissagt Verderben und Unheil über Israel. Er
hat etwas in sich, was ihm mehr ist als sein Volk. Seine
Prophetie hat einen Inhalt. Und hierin erkennen wir seine
Verwandtschaft mit dem grössten unter allen israelitischen
Gottesmännern, mit Mose, der auch mit seinem widerstrebenden
Volke ringen musste, noch deutlicher aber mit den
grossen schriftstellerischen Propheten, die auf Elias folgen,
mit der Kette der 'Propheten', die mit Arnos, Hosea, Jesaias
beginnt. Alle diese Späteren weissagen wie Elias von den
Schicksalen IsraePs, sie sind Unheilspropheten, im Hader
mit ihrem Volke. Sie sind die legitimen .Fortsetzer des
Werkes des Elias." —
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