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Handrich: üeber das Wesen der Materialisationspbänomene. 119
Abgesehen von mangelnder Beweisführung der Identität
und der auf Grund ungenügender Wechselwirkung positiver
und negativer .Elemente, atmosphärischer Störungen, sich
störend bemerkbar machender Lichteffecte und zu Tage
tretender Gefühlsausbrüche des Schmerzes, des Hasses u. s. w.,
unzureichender und mit Hinsicht auf Aehnlichkeit unbefriedigender
Formgestaltungen, besitzen dieselben immerhin
als spontane Schöpfungsgebilde occulter Natur einen hohen
Werth. Sind die zum Aufbau einer Gestalt nothwendigen
Bedingungen unzureichend, so benützt das sich offenbarende
Geistwesen den im lethargischen Zustande befindlichen
Körper des Mediums, um denselben zu transformiren und
mit Zuhülfenahme von dessen Organismus sich dergestalt
zu offenbaren. Das Eesultat ist dann meistens ein Gemisch
von Wahrem und Falschem und gereicht in vielen Fällen
dem Medium zum Nachtheil, besonders wenn die Kontrol-
spirits dann auch noch die Rolle der sich offenbaren
wollenden, aber mit den Erfordernissen der Transfiguration
unbewanderten Angehörigen übernehmen.
So beobachtete ich unlängst bei Anlass einer Privat-
Söance im Hause eines meiner Freunde, der Mme. Barnes
als Medium eingeladen hatte, dass ein solches weibliches
Wesen, das mir den Beweis der Identität schuldig blieb,
volle, schlankgeformte Arme besass. Kurze Zeit darauf
erschien ein anderes Wesen von der nämlichen, vom Medium
durchaus abweichenden Statur und Gesichtsbildung. Was
mir aber besonders auffiel, war, dass diese Gestalt mit
muskulösen Armen und für ein weibliches Wesen übergrossen
Händen ausgestattet war. Selbstverständlich waren
bei Anlass dieser Seance Vorkehrungen getroffen, die selbst
den Versuch einer Mitbetheiligung von Seiten etwa mit dem
Medium Verbündeter unmöglich machten.
Diesem Gemisch von Echtem und Unechtem begegnen
wir in jeder Phase spiritistischer Kundgebungen. Wenn sich
diese Wesen mit oder ohne Zuhülfenahme eines Tubus in
der Phase der Pneumaphonie offenbaren und die dem
Medium innewohnende Vocalkraft zum Sprechen benützen,
so ist dieses, streng genommen, trotz der Verschiedenheit
im Ton und der Klangfarbe, dennoch das, weil auch im
Trancezustand, völlig unbewusste Medium, welches sich mit
uns unterhält und von oberflächlichen Sitzungsteilnehmern
als der Ausübung des Ventriloquismus (der Bauchrednerei)
beschuldigt wird, was in solchem Falle freilich gleichbedeutend
mit absichtlichem Betrug wäre, wogegen sich zu
schützen es jedoch wiederum einfache Mittel giebt, obschon
kein Heftpflaster kräftig genug sich erweist, um Solche
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