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Wittig: Altrömischer Geisterspuk nach Prof. Eckstein, 125
sträubende Schreckniss vergröbert, — Hekate war ursprünglich
eine Titanin oder eine Tochter des Zeus und der Demeter
[mithin eine Schwester der Persephoneia, was ihre Mitherrschaft
in der Unterwelt genugsam erklären dürfte! — Refer.]
Homer kennt sie [noch] nicht. Bei Hesiod fehlt ihr noch
jeder Zug von Unheimlichkeit; sie ist dort eine wohl-
thätige Macht, die gleichermaassen im Himmel, auf der
Erde und in der See waltet (daher der Beinamen: —
Trimorphos = die Dreigestaltige, was späterhin zu dem
brutalen Missverständniss der Dreiköpfigkeit führte). Sie
verleiht — nach der Hesiodischen Götterlehre — Weisheit,
glückliche Schifffahrt, glückliche Jagd, Wachsthum, Gedeihen
und Sieg. [Hiernach wäre sie aber mit der Mondgöttin
Selene oder Luna recht nahe verwandt. — Refer.]
Allmählich tritt diese anfangs so klare, milde, verehrungswürdige
Gottheit in ein Stadium sonderbarer Verdunkelung.
Je mehr sich die Beziehungen zwischen den einzelnen Städten
und Völkerschaften erweiterten, um so öfter vermengte man
die Gestalt der Hekate mit der anderer Gottheiten, vornehmlich
mit der Persephone und der Mondgöttin Artemis, die als
solche ja für die Beherrscherin der Nacht galt. [Vielleicht
stammt von ihr der Beiname: — die Dreigestaltige, da sich
der Mond bekanntlich in drei Hauptphasen als Vollmond,
Erstes und Letztes Viertel zeigt. — Refer.] Noch später
wird sie die unterirdische Göttin par excellence, die grauenvolle
Beherrscherin der Schatten und gleichzeitig eine
Feindin der Lebenden, -- eine Art Hexenkönigin, die
über die bösen Dämonen gebietet, die Geister der Abgeschiedenen
aus der Unterwelt ruft, sie umgehen lässt und
die Menschen durch allerlei Spukerscheinungen hetzt und
erschreckt. Insbesondere haust sie an Kreuzwegen, von
Ungethümen und Todten umringt; wo sie vorüber zieht, da
heulen und winseln die Hunde. Alle Zauberkünstlerinnen,
die den Menschen Verderben bringen, — Hexen also im
Sinne des Mittelalters, — haben sich ihr verschrieben und
ihre Tücken von ihr gelernt. Man betet sie an und opfert
ihr, weil man sie fürchtet. Schlangen, die Symbole der
gepflanzt wurden, deren Wurzelknollen ein dürftiges Nahrungsmittel
bildete. — Merkwürdig bleibt eine Vision meiner seligen Mutter,
die in einem schweren Ohnmaciitsanfalle in der ersten Zeit ihrer Ver-
ehlichung aich plötzlich auf eine scböne grüne Wiese mit lauter
Blumen versetzt sah, auf der ihr eine grosse Menge fröhlicher, aber
ihr unbekannter Geistgestalten entgegenkam, die sie zum Bleiben und
zum Spielen mit ihnen ein uden. Als sie aus diesem schönen Traume
wieder zum Leben erweckt worden war, rief sie aus: — „Ach, hättet
ihr mich doch dort gelassen!" — und sehnte sich eine geraume Zeit
lang dorthin immer im Stillen zurück. Der Referent.
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