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144 Psychische Studien. XXV. Jahrg. 8. Heft. (März 1898.)
Flüssigkeit begoss, welcher sieh ihrer Zeit, der Sage nach,
auch die alte Hexe Xanthippe, des Sokrates Dämon Nr. 2, gegen
ihren Ehegespons bedient haben sollte, Die natürliche Provenienz
des „Wassers" glaubt nun der Arzt als einen sicheren
Beweis einer Schwindelei zu erachten. Das Mädchen behauptete
damals, ebenfalls begossen worden zu sein, aber ihr Kopf
erwies sich trocken Diese ganze Hydrostatik ist nun etwas
problematisch, indessen wurde ja bereits früher Anna im
freien Felde Wasser auf den Kopf geschüttet. Einmal wurde
Dr. Dornfest eben von einer Rübe getroffen, richtete gleich
das Licht seiner Blendlaterne auf das Mädchen und sah
ihre Hand in die Höhe erhoben. Die Leser der „Psych.
Stud." (vergl. im März-Heft 1894 S. 100 Dr. Ochorotvicz's
Meinung darüber) wissen, was von diesen unwillkürlichen
Bewegungen des Mediums zu halten ist. — Der Wachtmeister
Ed. Betgel, dem wir die bekannten vorzüglichen
Berichte verdanken, wurde zur Strafe für seine übermässige
Wahrheitsliebe in eine andere Gregend versetzt.
Ferner hat man sich schon einen prächtigen Beweggrund
des „Schwindels" konstruirt. Der Schwiegersohn des
Chorzempa möchte nämlich den Alten aus seiner Hütte
wegjagen und setze daher den Spuk in's Werk. Dagegen
versichert Herr Szczepanski aus eigener Anschauung, dass
die Familienmitglieder sich unter einander lieben und ein
bei den Bauern seltenes, feineres Gremüthsleben bekunden.
Von einem bewussten Betrüge von Seiten der Familie ist
keine Rede. Auch die übrigen Bauern des Dorfes werden
a*s intelligente und nicht abergläubische Leute geschildert.
Nur als bei der bereits angetretenen, dann aber wegen des
eingetroffenen Verbotes des Bezirkshauptmannes verschobenen
Reise nach Krakau (wobei man zunächst von der Hütte
nach der 3 km entfernten Wohnung des Vicars fuhr) der
Wagen der Reisenden in eine Grube stürzte und zertrümmert
wurde, da bildete sich die Legende, der Teufel wolle das
besessene Mädchen aus Nienadowka nicht herauslassen.
Das Mädchen verweilte einige Zeit mit ihren Eltern
im Kloster, wo sich die Kundgebungen wiederholten. Es
wurde auch der bekannte, riesigen Einfluss im Landvolke
besitzende Führer der polnisch - christlichen Partei, Pater
Stojalotvski, zu Rathe gezogen. Derselbe candidirt eben in
einem angrenzenden Wahlbezirke in den Reichsrath, wo die
gegnerischen Agitatoren der socialdemokratischen und
radicalen Volkspartei von den Bauern einfach durchgeprügelt
werden. P. Stojalowski beruhigte die Eltern,
betete und gab dem Mädchen eine geweihte kleine eiserne
Kette zum Tragen am Handgelenk.
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