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188 Psychische Studien. XXV. Jahrg. 4. Heft. (April 1898.)
Zusammenhange mit seiner reinen und unschuldigen Kost.
Es blieben ihm jene besonderen Eigenschaften auch dann
noch, als er nicht mehr, wie anfangs, nur Wasser und Brod,
sondern auch Wassersuppen, Chocolade und Mehlspeisen
genoss. Er büsste sie aber ein, so wie er sich an
Fleisch gewöhnte, welche Nahrung, wiewohl man ihn
mit der äussersten Vorsicht und Allmählichkeit dazu überführte
, doch eine merkwürdig abstumpfende und depoten-
cirende Wirkung hatte." — Seine Hyperästhesie der Geruchsund
Gehörsempfindung schwächte sich von Tag zu Tag ab.
Es verlor sich die beispiellose Empfänglichkeit für animalische
und mineralische Einflüsse, die ihm so lästig und qualhaft
war. Schon Septbr. 1828 bemerkte Daumerdass sich seine
Empfänglichkeit für thierischen Magnetismus mindere.1) „Im
Juni 1829 spürte er auch beim Anfühlen von Menschen
nichts mehr, ausser von mir ein wenig.aa) Daumer hat diese
allmählich fallende Scala bezüglich des „Metallfühlens" zusammengestellt
.3) Anfang November 1828 fühlte er Silber
nicht mehr, Ende November hörte die Einwirkung von Glas
auf, bei Gold äusserte er zu Ende Dezember keine Empfindung,
März 1829 spürte er nicht mehr Platin und im Juni Quecksilber
vom Spiegel nur noch ein wenig. Seine ursprüngliche
Sensitivität Gewittern gegenüber war im Juli J829 vollständig
verschwunden.4)
Die occulten Fähigkeiten wurden jedoch noch einmal
aufs höchste gesteigert, als der erste Mordversuch an
ihm begangen wurde, d. h. als eine neue Störung
eintrat,5) Die Aufregung, die Angst, der Schrecken und die
physiologische Erschöpfung durch Blutverlust versetzten ihn
unmittelbar nach dem Mordanfali in eine Art somnambulen
Zustandes. „Als das ßewusstsein zurückkehrte, verlangte
er nach mir und erzählte in der reinsten Aussprache
und in gewählten, oft fast poetischen Ausdrücken
zusammenhängend und periodisch, wie er nie zuvor gethan,
(früher hatte er sich den bayerischen Volksdialect nie
ganz abgewöhnen lassen,) das Vorgefallene, indem er scharfsinnige
Vermuthungen und Erklärungen untermischte. Er
war in einem erhöhten Zustande, den mit mir auch Herr
Dr. med. Osterhausen beobachtete." — Das Gleiche tritt
characteristischer Weise bei Sterbenden ein. „Gleichzeitig
erscheint nun aber auch im Sterben die Sprache veredelt,
*) Daumen — „Mitteilungen". S. 7.
2) ebend. II, 4L
*) ebend. II, 40. 41.
4) Daumer i — „Mittheilungen". I, 17.
B) Daumer x — „Mittheilungen". I, 64 ff.
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