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220 Psychische Studien, XXV. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1898.)
und dieser jüngere Bruder hatte zur Nachtzeit eine sonderbare
Erscheinung. Auf dem Bette sass eine Gestalt, hielt
ihm die Schere an's Haupt und schor ihm die Haare vom
Scheitel. Als es Tag wurde, fand man ihn wirklich geschoren
und die Haare herum liegen. Bald darauf bestätigte ein
ähnlicher Vorfall den früheren. Einer von meinen jüngeren
Sklaven schlief mit mehreren anderen ixv Pädagogium. Da
kamen zwei Gestalten in weissen Gewändern dureh's Fenster
geschwebt, Schoren ihn und gingen dann auf demselben Wege
zurück/*) —
,,Das Merkwürdige, namentlich bei der Gespenstergeschichte
, die in Athen spielt, ist die überraschende Aehn-
lichkeit mit den auch uns geläufigen Geistererscheinungen,
die in alten Gemäuern und Thürmen ihr Wesen treiben.
Ketten und Fesseln erklirren lassen, und schliesslich zur
Ruhe kommen, wenn ein furchtloser Mensch sie erlöst.
„Dem freiwilligen Erscheinen der Geister geht das
Erscheinen auf Kommando, in Folge zwingender
Formeln, Gebete und Ceremonien, — mit einem
Wort: — das Beschwörungswesen — in gleicher
Ausdehnung parallel. So berichtet JPlutarch in seiner
Trostschrift an Apollonius von einem ' P s y c h o m a n t e i o n
einem 'GeisterorakeP, das, ganz nach Art unserer modernen
Spiritisten, die Geister der Verstorbenen citirte, um über
gewisse, sie selbst oder die Ihrigen betreffende Dinge
Aufschluss zu erhalten. Die Citirung fand in folgender
Weise statt: — Man verrichtete gewisse Opfer und legte
sich dann zum Schlaf nieder. In dem Traume, den nun der
Schläfer hatte, erschien der Geist und gab Auskunft. Der
Wille des Fragenden, von dem Verstorbenen zu träumen,
und die feste Erwartung, dass dies geschehen werde, mag
hierbei eine ebenso grosse Rolle gespielt haben, wie das,
was man neuerdings 'Suggestion' nennt. Die Orakelverwalter
verstanden sich augenscheinlich auf's Hypnotisiren: — dafür
spricht schon der rasche Eintritt des Schlafes in einem
Gemüthszustande, der sonst das rasche Einschlafen zu vereiteln
pflegt. Auch darf man daran erinnern, dass äussere,
rein physische Einwirkungen auf den Entschlummerten, wie
z. B. die Einflüsterung eines Namens, die Erregung gewisser
*) Wir hätten hier zwei leibhafte Materialisationserscheinungen
des Alterthums, welche zum Fenster herein- und wieder hinaus schwebten,
wie von Home und anderen Medien der Neuzeit mehrfach berichtet
ist, und dabei eine bleibende physikalische Handlung, das Scheeren
drs Haupthaares mit bleibender Wirkung verrichteten. —
Der Keferent,
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