Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
25. Jahrgang.1898
Seite: 232
(PDF, 192 MB)
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232 Psychische Stiidiea. XXV. Jahrg. 5. Heft (Mai 1898.)

Noch viel intensiver jedoch als hei unseren beiden grossen
Dioskuren ist das Uebersinnliche bei dem dritten grossen
Dichter aus dem Anfange des Jahrhunderts vertreten.
Ausser Byron hat wohl kein Meister der Poesie dies Gebiet
so beherrscht und verwerthet, wie der lange Zeit hindurch
verkannte Heinrich von Kleist. In der Schweiz hatte
er Zschokke kennen gelernt und auch sonst Gelegenheit
gehabt, die Erscheinungen des Somnambulismus zu studiren.
Das Werk seines Genius, welches zwar nicht das bedeutendste,
sicher aber das populärste ist, behandelt diesen Stoff in
einer dem Fachmanne unverkennbaren Form. Das rKäthchen
von Heilbronn4, jene von dem Zauber wahrer Poesie so
ganz durchdrungene Schöpfung, welche trotz all ihrer
Mängel immer ein wahr empfindendes Herz ergreifen wird,
kann nur dann verstanden werden, wenn wir die Heldin
als eine Somnambule auffassen. In der „Allgemeinen
Zeitung4' vom 18. November 1890 bat du Prel schon darauf
hingewiesen. Im Traume der Sylvesternacht erblicken sich
die Liebenden zuerst; sie ist von Natur aus dazu veranlagt,
bei ihm wird die magische Fähigkeit durch eine schwere
Krankheit ausgelöst. Hierbei ist es gleichgiltig, ob Kleist den
Schutzengel als Dienstmann des jüdisch-christlichen Jehovah
auffas t, oder als Schutzgeist im spiritistischen Sinne, oder
aber als dramatische Spaltung der Persönlichkeit. Dass
diese letztere meist die Form eines transscendentalen Haus-
lehrers annimmt, ist bekannt, und obendrein wird die Wahl
dieser Auffassung hier schon allein vom poetischen Standpunkte
aus gerechtfertigt. Bei den Beiden bleibt nach dem
Erwachen, hezw. Genesen, die Erinnerung zunächst latent:
während aber bei Käthchen, der sensitiveren Natur, der
Anblick des Ritters im Wachen genügt, um die Erinnerungsbrücke
zu schlagen und sie mit unwiderstehlicher Gewalt
hinter dem Ritter herzutreiben, ist bei diesem, der mehr im
Realen wurzelnden Natur, noch keine Stimme laut geworden.
So erklärt sich auch völlig der Widerspruch im Verhalten
des Mädchens. Sie, die uns sonst als das Ideal einer
deutschen Jungfrau gelten kann, läuft hinter ihrem Liebhaber
her, obwohl sie zurückgewiesen wird. Sie handelt
eben unter dem Zwange einer posthypnotischen Suggestion,
und wir müssen es als reine Wahrheit auffassen, wenn sie
auf alle möglichen Fragen antwortet: — „Weiss nicht, mein
hoher Herr!" — Die Aufregung beim Brande des Schlosses
ruft in ihr einen Zustand des Schlafwandelns hervor, in
welchem sie sicherer den Weg zur Rettung findet, als im
Wachen; und nur dichterische Freiheit macht das subjective
Gebilde ihres Geistes, den Schutzengel, objectiv sichtbar.


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