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272 Psychische Studien. XXV. Jahrg. f>. Heft, (Juni 1898.)
Litteraturgebilde nach dem Muster des Dekamerone, eine
Zusammenschaehtelung mehrerer Erzählungen. Eine davon
ist eine schnurrige Wehrwolf- oder besser Wehrkater- und
Hexengeschichte: — „Das Picknick des Katers Mores" —
In der kleinen Novelle mit dem langen Titel: — »Von dem
Leben und Sterben des Grafen Gaston Phöbus von Foix und
von dem traurigen Tode seines Kindes Gasion. Geschrieben
um das Jahr ] 389—1391*' — sind eine ganze Menge übersinnlicher
Züge erhalten. Im vierten Kapitel wird von einem
Edelmanne berichtet, welcher des Nachts aufsteht und mit
dem Degen um sich haut, ohne beim Erwachen etwas davon
zu wissen. Kapitel 5 behandelt die Geschichte eines Hausgeistes
, welcher einem Eitter von einem rachsüchtigen
Pfaffen als Spuk in's Schloss gebannt wird, dann aber seinem
ersten Meister den Gehorsam versagt und dem Edelmanne
dient, indem er ihm allnächtlich Nachricht von allen möglichen
, in der Ferne vorgefallenen Begebenheiten giebt. —
Brentano^ grosses dramatisches Gedicht — „Die Gründung
Prags" — ist dadurch interessant, dass die Heldin Libussa
geradezu als eine Hellseherin bezeichnet werden muss.
Mehrfach sieht sie im Schlummer oder in einer Vision das
Zukünftige voraus und versetzt sich freiwillig in diesen
Zustand, um das rechte Mittel in schwierigen Regierungslagen
zu finden. Ueberhaupt enthält das Werk eine Menge
slavischer Volksmagie. Es beginnt sogleich mit dem Wettermachen
der bösen Zwratka, die sich nachher durch ihre
Zaubersalbe in den Hexenschlaf versetzt Amulette u. s. w.
spielen eine grosse Rolle darin. Die Dichtung ist nicht ohne
poetische Schönheiten und würde vielleicht populärer
geworden sein, wenn dem nicht ihre ermüdend grosse Länge
im Wege stünde. — Eichendorff liefert wieder wenig
Ausbeute.
Dagegen hat jener Schriftsteller, welchen wir wenigstens
als Hospitanten der romantischen Schule bezeichnen können,
JE. 21 Amadeus Hoffmann, im hohen Grade eine
Kenntniss von den Vorgängen des anormalen Seelenlebens
besessen und dieselbe, wie wenig Andere, für seine Erzählungen
verwerthet. Oft freilich wird das Uebersinnliche
durch Arabesken und Schnörkel eigener Zuthaten halb
verhüllt; meist aber bildet es den Kern seiner unheimlichen
Geschichten Was er erzählt, ist meistens nicht so fesselnd,
als wie er es erzählt. Man glaubt, in die phantastische
groteske Traumwelt versetzt zu sein, wenn man sieht, wie
sich aus dem Alltäglichen das Wunderbare entwickelt, wie
sich irgend ein pedantischer, hausbackener Bureaukrat in
ein übernatürliches Wesen verwandelt. Wo der Stoff seiner
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