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274 Psychische Studien. XXV. Jahrg. 6. Heft (Juni 1898.)
beeinfiussung zum Zwecke der Liebeserregung. Nebenbei
definirt ein alter Maler vorzüglieb die dramatische Spaltung
im Traume. Er sagt: — „Wir sind im Traume die herrlichsten
Schauspieldichter und Schauspieler, indem wir jeden
ausser uns liegenden Charakter mit allen seinen individuellsten
Zügen richtig auffassen und mit der vollendetsten W ahrheit
darstellen. Darauf baue ich denn und denke so manchmal
an die vielen komischen Abenteuer auf meinen Reisen, an
manche komische Charaktere, mit denen icn lebte, und da
giebt mir denn Nachts meine Phantasie, indem sie diese
Personen mit allen ihren närrischen Zügei und Albernheiten
auftreten lässt, das ergötzlichste Schauspiel der
Welt. . • Ich trage die ganze Sacchi'sche Truppe in mir,
die das fioWsche Märchen mit allen aus dem Leben
gegriffenen Nuancen so lebendig darstellt, dass das
Publikum, welches ich auch wieder selbst repräsentire, daran
als an etwas Wahrhaftiges glaubt." — Er geht dann auf
jene Träume über, in welchen sich besonders die Kürze
des transscendentalen Zeitmaasses zeigt: — „Ich erinnere
mich, im Traume in einer lustigen Punschgesellschaft
gewesen zu sein, ein mir wohlbekannter Bramarbas von
Officier zog unaufhörlich einen Studenten auf, bis ihm dieser
das Glas in's Gesicht warf; nun entstand eine allgemeine
Schlägerei, und ich, der ich Frieden stiften wollte, wurde
hart an der Hand verwundet, so, dass der brennende
Schmerz mich weckte, und siehe da! meine Hand blutete
wirklich, denn an einer starken, in der Bettdecke verborgenen
Nadel hatte ich sie mir aufgerissen." — Auch das
alternirende Bewusstsein sowie die telepathische Erscheinung
eines Sterbenden spielen eine wichtige Rolle in der Episode
vom dänischen Major, einer Person, die lebhaft an den
Irländer im — „Elementargeist" — erinnert, einen eifrigen
Kabbalisten und Priester der schwarzen Magie. In letzterer
Novelle wird in ergötzlicher und doch grausiger Weise der
Gedanke persiflirt, dass bei den Beschwörungsformeln das
Wort das wirksame sei. Auch hier wird das Alltägliche
mit dem Mystischen aufs innigste verwoben. — Noch mehr
ist das der Fall in den Abenteuern des Studenten Anseimus
mit dem „Goldenen Topfe." Das ist eigentlich ein Hymnus
auf die bizaire, alle Abgründe überbrückende Phantasie
des Traumes. — Bekannt geworden ist durch die Opernbearbeitung
— ,,Meister Martin und seine Gesellen." —
Diese reizende Erzählung, welche so sehr, wie wenig andere
des Verfassers, im realen Leben spielt, hat doch in einer
Prophezeihung, die schliesslich erfüllt wird, ihre Voraussetzung
. — Das Fragment — „Die Genesung" — behandelt
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