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Kurze Notizen.
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den 1820 er Jahren wohnten meine Grosseltern im Dorfe
Bornshein. Bei dem gegenüber wohnenden Gutsbesitzer
war eine Magd, die sich von anderen Mensehen sehr abgeschlossen
hielt, (man sagte, sie sei nicht ganz richtig
klar). Diese erzählte nun eines Tages, dass sie, wenn sie
Abends spät in der Küche ganz allein am Feuerheerde
sitze und arbeite, einen eigenthümlichen Ge3ang von der
Ferne höre. Es sei das Gesangsbuchlied: — „Hält denn
Jesus Christus sein Antlitz gänzlich verborgen?" — dieses
würde aber nur bis zu einer gewissen Strophe gesungen,
dann sei es ruhig. Meine Grosseltern sagten ihr nun, sie
solle es doch einmal mitsingen, es würde ihr doch nichts
thun. Die Magd hatte es auch gethan und den Vers vollständig
ausgesungen. Da steht auf einmal ein graues
Männchen vor ihr und bittet inständig, sie solle ihn
erlösen und das Lied noch drei Abende mitsingen. Am
dritten Abend, als das letzte Wort verhallt, thut es einen
lauten Knall, und in der einen Küchenecke unter einer
Holztreppe, die nach Oben führte, hatte sich der Boden
aufgewühlt, wo ein grosser Topf mit Geld blosgelegt war.
Die Magd hat vom Bauer wohl auch einige Gülden davon
als Belohnung erhalten. —
4) Ein geisterhafter Zug von Thieren. —
Eines Abends als meine Grossmutter nach Bornshein
zurückkehrte, hörte sie am Eingange des Dorfes einen
furchtbaren Lärm und allerhand Thierstimmen, und sah
zu gleicher Zeit, dass ein grosser Zug Thiere um die Ecke
bog und dicht gedrängt in schnellem Lauf auf sie zu kamen,
so dass sie sich genöthigt sah, rasch bei Seite zu springen,
worauf der Zug um den dort befindlichen Teichdamm
herum spazierte und am anderen Ende hinaus dem nächsten
Dorfe zu verschwand. — (Vgl. Juli-Heft 1892 S. 300 ff.)
5) Etwas Gespenstisches von einem Kirchhofe
. — An einem schönen Nachmittag ging ich nach
G ablenz *) und hatte meine Gedanken auf den Gottesacker
gerichtet, den ich am Berge vor mir liegen sah und vollständig
übersehen konnte. Da dachte ich: — „Es ist doch
eine eigene Sache, dass mancher eine lange Zeit darinnen
spazieren muss, ohne einen Ausweg zu finden. Es war in
diesem Garten ein hastig Durcheinander, und wenn man
auch wollte, so ist es doch nicht möglich, sich mit ihnen
in Verbindung zu setzen, so lange es das Naturgesetz nicht
erlaubt. Wiewohl der Schleier nur dünn ist, die Kluft
dazwischen ist dennoch gross und unüberwindlich, bis das
*) Gablenz, östlich von Crimmitschau im Königreich Sachsen. —
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