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328 rsyebische Studien. XXV. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1889.)
und seit der Zeit stirbt jedes Mal ein Mitglied des fürstlichen
Hauses acht Tage nach einer Othello-Aufführung. Das
ominöse Stück ist daher ganz vom Repertoire abgesetzt
worden. Eine junge Prinzessin wünscht es aber zu sehen
und setzt ihren Willen auch durch. Während der Aufführung
jedoch erhält sie die Nachricht von der Treulosigkeit des
Mannes, welchen sie mit der ganzen Hingebung des Helzens
liebt, und erkrankt. An ihrem Schmerzenslager nun erscheint
allnächtlich das Phantom einer Frauengestalt, welches sie
zu tödten versucht. Acht Tage nach der Aufführung stirbt
sie. — Die Fabel ist nicht ungeschickt erfunden und durchgeführt
. Denn wenn man von der Vorgeschichte absieht,
oder dieselbe ins Reich der Sage verweisen will, so kann
man den letzten Fall für sich als das Znsammentreffen
verschiedener Factoren auffassen und die Erscheinung der
spukhaften Schauspielerin der prädisponirten Seele der
Prinzessin zuschreiben, um sie so in's Gebiet des Subjectiven
hinüberzuführen. Es bleibt alsdann nur ein alltägliches
Moniert übrig, welches aber an sich schon hinreichen sollte,
um den besonnenen Materialisten stutzig zu machen: die
Einwirkung der Seele, welche nach dem Kraft- und Stoff-
Apostel Buchner ja nur ein Pioduct der Materie ist, auf
eben diese Materie bis zur Zerstörung des Organismus. —
Immerhin sieht man aus dieser Behandlungsweise, dass
Hauff die geschilderten Phänomene nur vom Hörensagen
kennt, — vielleicht nicht einmal an ihre Realität glaubt, —
sondern sie nur als poetische Form benutzt.
Ganz andere Lebenskraft gewinnen derartige Vorgänge
unter der Feder eines anderen, einst sehr beliebten und
auch jetzt noch von den verständigen Lesern geschätzten
Schweizer Erzählers Zsehok'ke. Wie Kleist den Somnambulismus
für das Drama verwerthet hat, so benutzte er, von
dem jener vielleicht seine Anregung erhalten hat, den
gleichen Stoff für den Roman. Freilich war er von Natur
selbst darauf hingewiesen, denn er besass, wie er in seiner
„Selbstsehau" erzählt, die Fähigkeit, im hellsehenden
Zustande, der ihn oft ganz unerwartet überfiel, die Vergangenheit
Anwesender zu erkennen. Dasjenige Werk,
welches hauptsächlich diesen Gegenstand zum Vorwurfe
hat, — „Die Verklärungen", — schildert in anmuthiger
Weise eine durch Magnetismus entstandene Liebe. Die
Erzählung ist auch als solche angenehm zu lesen.
Beinahe noch mehr Beachtung als Zschokke hat ein
Grösserer als er dem Somnambulismus geschenkt, welcher
auch heute einer unverdienten Missachtung anheim gefallen
ist : — Jean Fmil Friedrich lliehter. In zahlreichen
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