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Wedel: Das Uebersinnliche in der deutschen Litteratur etc. 329
seiner Romane hat er ihn als dankbares Motiv verwerthet.
Im — „Komet" — z. B. spielt er eine doppelte Rolle. Neben
dem Ernste, der ja diesen Erscheinungen besonders anhaftet,
und welcher in dieser Erzählung noch dadurch verstärkt
wird, dass es sich darin um die ungeregelte Abart desselben,
die sogenannte Besessenheit handelt, weiss der Verfasser
ihn auch dem Humore dienstbar zu machen. Ich meine jene
Stelle, wo der Reisemarschall fVorble ein magnetisches Diner
abhält. Zuerst versetzt er seine Gäste in Schlaf, und darauf
lässt er es sich trefflich schmecken; die Eingeladenen
empfinden Kraft des Rapportes, der zwischen ihnen und
dem Magnetiseur stattfindet, den gleichen Genuss, obschon
sie von all den guten Dingen nichts abbekommen. Und da
der Tausendkünstler Worble es versteht, ihnen die Erinnerung
in's Wachen mitzugeben, so erheben sie sich von der Tafel
in dem angenehmen Gefühle, einmal recht geschwelgt zu
haben, wobei sie sich nur verwundern, dass sich sobald
wieder Hunger einsteilt. So toll diese Uebertreibung *
auch ist, so lustig wirkt sie doch, und so wenig wird
sie den eifrigsten Anhänger des thierischen Magnetismus
verletzen, wie alle Spässe, die von Jean Paulis Humor
vergoldet sind. Auch noch in anderen Werken finden wir
das gleiche Thema berührt, doch meistens nur episodisch.
Dass Heinrich Heine ein so dankbares Motiv sich
nicht entgehen Hess, ist selbstverständlich. Aus der Mythologie
seines Stammes hat er die schöne Geschichte besunger,
wie dem bösen König Belsazar sein nahes Ende durch directe
Schrift verkündet wird. Allerdings reicht das Gedicht an
die schlichte Grösse der Byron'&chen Behandlung des nämlichen
Stoffes nicht heran, ist aber vielleicht gerade deshalb
populärer geworden. Zum Glück kann man das nicht von
den Coulissengespenstern in — „ William Ratklifl*1 — sagen,
welche einen unsagbar komischen Eindruck machen würden,
wenn die Langeweile, welche dieses Machwerk einflösst, ein
derartiges Gefühl überhaupt aufkommen Hess.
Auch die, vom poetischen Standpunkte aus betrachtet,
bedeutenderen Schicksalstragödien Zacharias Werners,
Müllner's und Houwald's enthalten gelegentlich etwas
Unheimliches, ja Uebernatürliches, aber fast nie etwas rein
Uebersinnliches.
Dasselbe gilt von dem Erstlingswerke des letzten
Dichters, der mit vollem Rechte auf den Namen eines
Klassikers Anspruch erheben darf, von Grillparzer's
— „Ahnfrau." — Ist doch der sich darin breit machende
Occultismus ein mehr der dichterischen Phantasie entsprungener
als ein der Natur abgelauschter. Die Ahnfrau
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