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Bohn: Die occulten Fähigkeiten Kaspar Hauaer's etc. 341
gedrehten Augen „forschen" und mit dem Lächeln der
„Eingeweihten" das Medium in fürchterlichen hysterischen
Krämpfen sich winden lassen, ist eine Vogelscheuche für
jede Wissenschaft. Derartige Elemente gehören nicht vor
das Forum der Wissenschaft, sondern vor das des
Gesetzes!
Von wissenschaftlich gebildeten Männern wird man aber
auch verlangen können, dass ihre Forschungsmethode
wissenschaftlich ist. Das heisst nicht nur, alle
Experimente so anzustellen, dass sie wirklich einen Zweck
haben, und ihre Bedingungen so exact zu gestalten, dass
eine Wiederholung derselben unnöthig ist, sondern vor
allem: — Ueber dem Ziele nicht den Weg zu demselben
zu vergessen! Wir sollen stets auf unsere Versuchspersonen
bedacht sein und auf den Dornenweg derselben möglichst
Rosen streuen. Ich habe oben theoretisch ausgeführt, wie
man durch günstige Gestaltung der Bedingungen der
Störung, bei geringem Umfange derselben, einen bedeutenden
Effect erzielen kann. Das beherzige man! Man gebe seinen
Medien die Mittel, eine natürliche, ruhige Lebensweise zu
führen, und sorge dafür, dass alle verbrauchte Lebensenergie
sofort ersetzt wird. Nie aber benutze man sie zur Schaustellung
vor Laien; die Stube des Gelehrten soll kein
Theater sein.
Wer so wirklich wissenschaftlich forscht, wird
unbekümmert um das Geschrei der Menge ruhig vor dem
Richterstuhle seines Gewissens stehen können. Er weiss,
dass das Opfer nicht vergeblich war, und dass die Liebe
zur Menschheit sein erster Beweggrund, ihr Wohl aber
das Ziel seines Strebens sein muss. Möge daher jeder
bei seinen Forschungen stets des Wortes gedenken: —
„Weh dem, der zu der Wahrheit geht durch Schuld,
Sie wird ihm nimmermehr erfreulich sein!" —
Anhang.
Vision oder Hallucination? — In dem Werke
„Kaspar Hauser" von W. C. Gräfin von A. (1839) erzählt
die Verfasserin, eine 73jährige, kränkliche Frau, zwei angebliche
„Visionen", die ich im Folgenden mittheile. Das
Naheliegendste ist demnach, sie als Hallucinationen aufzufassen
. Unwillkürlich musste die Phantasie der Verfasserin,
die sich intensiv mit dem Schicksale Kaspar Hauser's
beschäftigte, derartige Bilder vorzaubern. Dass subjective
Vorstellungen uns als objective Erscheinungen sich darbieten,
ist eine so alltägliche Erscheinung, dass man aus der
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