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410 Psychische Studien. XXV. Jahrg. 8. lieft. (August 189a)
Zwei Wölfe schildhaltende Knappen,
Wo Ros' an Rose sich breitet und blüht,
Wie über'm Fürsten der Baldachin glüht.
Und links der milden Mutter Geschlecht,
Der Frommen in Grabeszellen,
Wo Pfeil' an Pfeile, wie im Gefecht,
Durch blaue Lüfte sich schnellen.
Der Freiherr seu&t, die Stirn gesenkt,
Und — steht am Fenster, bevor er's denkt.
Gefangen! Gefangen im kalten Strahl!
In dem Nebelnetze gefangen!
Und fest gedrückt an der Scheib* Oval,
Wie Tropfen am Glase hangen.
Verfallen sein klares Nixenaug*
Der ilaidequal in des Mondes Hauch.
Welch' ein Gewimmel! — Er muss es seh'n,
Ein Gemurmel! Er muss es hören!
Wie eine Säule, so muss er stehn,
Kann sich nicht regen, noch kehren.
Es summt im Hofe ein dunkler Häuf,
Und einzelne Laute dringen herauf.
Hei! eine Fackel! sie tanzt umher,
Sich neigend, steigend, im Bogen,
Und nickend, zündend, ein Flammenheer
Hat den weiten Estrich umzogen.
All* schwarze Gestalten im Trauerflor
Die Fackeln schwingen und halten empor.
Und alle gereihet am Mauerrand,
Der Freiherr kennet sie Alle;
Der hat ihm so oft die Büchse gespannt,
Der pflegte die Rosse im Stalle,
Und der so lustig die Flasche leert,
Den er hat siebenzehn Jahre genährt.
Nun auch der würdige Kastellan,
Die breite Pleureuse am Hute,
Den sieht er langsam, schlürfend nahn,
Wie eine gebrochene Ruthe;
Noch deckt das Pflaster die dürre Hand,
Versengt erst gestern an Heerdes Brand.
Ha, nun das lioss, aus des Stalles Thür
In schwarzem Behang und Flore;
0, ist's Achill, sein getreues Thier?
Oder ist's seines Knaben Medore?
Er starret, starrt und sieht nun auch,
Wie es hinkt, vernagelt nach altem Brauch.
Entlang der Mauer das Musikchor,
In Krepp gehüllt die Posaunen,
Haucht prüfend leise Cadenzen hervor,
Wie träumende Winde raunen;
Dann alles still. 0 Angst, o Qual!
Es tritt der Sarg aus des Schlosses Portal.
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