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Wedel: Das Uebersinnliche in der deutschen Litteratur etc. 411
Wie prahlen die Wappen farbig grell
Am schwarzen Sainmt der Decke,
Ha Eos' an Rose, der Todesquell
Hat gespritzet blutige Hecke I
Der Freiherr klammert das Gitter an:
„Die andere Seite!" stöhnet er dann.
Da langsam wenden die Träger, blank
Mit dem Monde die Schilder kosen.
„Ou, seufzet der Freiherr, — „Gott sei Dank!
Kein Pfeil, kein Pfeil, nur Rosen!"
Dann hat er die Lampe still entfacht
Und schreibt sein Testament in der Nacht.
Einen umgehenden Schlossgeist schildert das Gedicht
— „Der Graue": — Ein reicher Kaufherr hat ein altes
Schloss erstanden und demselben inmitten einer lustigen
Gesellschaft einen Besuch abgestattet. Bis spät in die
Nacht hinein wird gezecht. Ein junger Mann, Namens
Waller, kann noch nicht einschlafen, als sich die Uebrigen
zu Bette begeben, und setzt sich auf sein Zimmer, um zu
lesen. Aber als endlich auch er sein Lager aufsuchen will,
ereignet sich etwas Seltsames: —
... ist es Nebel, ist es Rauch,
Was durch der Thüre Spalten quillt,
Und wirbelnd in des Zuges Hauch
Die dunstigen Panneele füllt?
Ein Ding, — ein Ding, — wie Grau in Grau
Die Formen schwanken! — sonderbar! -~
Doch, ob der Blick sich schärft, den Bau
Von Gliedern nimmt er mählig wahr, —
Wie über'm Eisenhammer schwer
Und schwarz des Rauches Säule wallt;
Ein Zucken flattert drüber her,
Doch hat es menschliche Gestalt
Aber Waller ist muthig, er greift zur Fistole und giebt
Feuer. Doch nach dem Schusse steht die Gestalt nur um
so deutlicher da, „ganz wie ein graues Bild aus Stein."
Auch der zweite Schuss vermag nichts. Das Phantom steht
nun vor seinem Bette und legt sich nach einigem Zögern
hinein. Waller springt darauf zu: —
„Ah, je te tiens!" er hat's gepackt,
Und schlingt die Arme wie 'nen Strick, —
Ein Leichnam! todessteif und kalt!
Mit einem Ruck fährt er zurück:
Da wälzt es langsam, schwer wie Blei
Sich gleich dem Mühlstein über ihn,
Da that der Waller einen Schrei,
Und seine Siüne waren hiu!
Als er aber am Morgen erwacht, trägt er statt seiner
blonden Locken graues Haar. — „Das tolle Fräulein
von Rodenschild"1 — behandelt in seltsam packender Weise
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