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Sfcrebel: Skizze über esoterischen Occnltismus.
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Religionsbekenntnissen gemeinsam ist Dieser
verborgene Kern allein enthält die göttliche Wahrheit
Zu verschiedenen Zeiten unserer geschichtlichen Ent-
wickelung sind einzelne Männer als Gründer von zum Theil
noch heute bestehenden Religionssysteraen aufgetreten,
welchen es gelang, Herz und Sinn ihrer Zeitgenossen sowie
deren Nachkommen für ihre Lehren zu gewinnen. Die
Mythe schreibt diesen Männern einen göttlichen Ursprung
zu. Das durch Philosopheme und sophistisch - logische
Speculationen noch nicht verkrüppelte natürliche Gefühl
der Menschheit erkannte instinctiv die Wahrheit der Lehren
jener Männer und lernte durch Erfahrung, dass derartige
Männer ein Plus vor dem gewöhnlichen Menschen voraus
haben, nämlich die göttlich-magische Wunderkraft.
Dies letztere war das Hauptmoment, welches für die
Ueberzeugung des mit seinen fünf Sinnen rechnenden
Menschen in's Gewicht fiel. Das Kausalitätsbedürfniss des
Alltagsmenschen machte jene mit geheimnissvoller Kraft
begabten Menschen zu Propheten, zum Sohne eines Gottes,
zum menschgewordenen Gott selbst, der zur Menschheit
herabgestiegen war, diese zu lehren. Die Phantasie, zumal
der Orientalen, verwischte bald das ursprüngliche Bild
solcher gottbegnadeter Menschen und ihrer reinen Lehre;
hierarchische, politische, wissenschaftlich - philosophische
Herrschergelüste, kurz der Egoismus mit seiner subjectiven
Brille schufen dann im Verein mit dem Aberglauben einer
unkritischen, suggestiblen und geistig inferioren Masse die
späteren Zerrbilder jener ursprünglichen göttlichen Lehren.
So ging es der Lehre eines Zoroaster, Buddha, Laotse, Christas
und wohl auch derjenigen der Gründer der alt-mexikanischen,
alt-ägyptischen und anderer Religionen, von denen wir wenig
mehr wissen.
Ausser den echten Religionsstiftern, die thatsächlich
mit magischer Kraft aus göttlicher Quelle begabt waren,
giebt es nun noch solche von dem Genre eines Mohamed,
welchen eine besondere magische Kraft nicht zukam, die
aber als politische Charactere, begabt mit Phantasie,
Ehrgeiz und fanatischem Eigenwillen, durch wahrscheinlich
spontane visionär-somnambule Zustände veranlasst, sich mit
oder ohne innere eigene Ueberzeugung zu Gründern neuer
Religionen aufwarfen und mit mehr oder weniger Erfolg die
lenkbare Masse der Menschheit, wenn nöthig mit Feuer
und Schwert, zu ihrem Glauben bekehrten. Der Fanatismus
der Bekenner solcher Lehren schuf dann aus den, gewöhnlich
nur von früheren Religionsbekenntnissen entlehnten, geist-
todten Formeln derartiger visionärer Sektirer oder blosser
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