http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1898/0472
464 Psychische Studien. XXV. Jahrg. 9, Heft. (September 1898.)
Kerner erhalten haben.*) Meist freilich schafft er sich seine
eigene tibersinnliche Welt; dass ihm aber auch die echten
Phänomene vertraut waren, beweist seine anmuthige Novelle
— „Der Schatz" —, in welcher Spuk, dramatisirtes Hellsehen
u. s. w. eine grosse Rolle spielen. Allerdings wagt der
Verfasser nicht so recht, Farbe zu bekennen, sondern lässt
immer noch ein Hinterthtirchen offen, durch welches man
der occulten Erklärung entrinnen kann. Auch sind die
Erscheinungen darin mit grosser poetischer Freiheit behandelt
, doch gewährt das Ganze beim Lesen entschieden
poetischen Genuss. Sein grösstes VWk, der — „Maler
Nolten" — enthält manche Züge, die in unser Gebiet gehören.
Die Geliebte des Helden ist eine völlig somnambule Natur,
bei welcher dieser anormale Zustand schliesslich in Geistesstörung
ausartet. Der Tod des Malers selber wird durch
das magische Einwirken einer Verstorbenen herbeigeführt
Auch in kleineren Episoden kommt das occulte Element
mehrfach zu seinem Rechte.
Viel mehr Ausbeute noch liefern uns die Poesien von
kerner's Freund Alexander, Grafen von Württemberg.
In der Romanze — „Sultan Alp Arslan" —, welche nach
einer wahren Begebenheit geschaffen sein soll, wird die
magische Unverletzlichkeit, sowie die Befreiung aus den
Fesseln behandelt. — „Der Organist" — hat sinen Geistergottesdienst
zum Vorwurfe. — „Die Sabhathrunde" —, ein
Gedicht nach Victor Hugo, schildert das Hexenwesen. Den
Thierspuk behandelt — „Das Schwar/e Ross." — In
packender Weise schildert der Dichter, wie ein Ungar sein
treues Pferd zu Tode hetzt, und wie dieses nun immer in
den Gefilden der Pussta erscheint, wenn ein Hirte oder
Sonstwer sich Grausamkeiten gegen sein Thier zu Schulden
kommen lässt. Auch im — „Todtengräber" —, „Nächtlichen
Ritt" — und — „An Jusünus Kerner" — finden wir occulte
Anklänge.
(Fortsetzung folgt.)
*) Man vergl. hierzu über Storni und Morike in „Psych. Studien"
November-Heft 1889 8. 535 ff. und S. 542 ff. — Eduard Mörike's —
rGesammelte Erzählungen" — 2. Aufl. (Stuttgart, Goschen, 1890)
426 S. 8°., enthält eine Anzahl Novellen und Märchen, von denen besonders
dasjenige über „Das Stuttgarter Hutzelmännlein" spiritistische
Anklänge verräth. — Der Sekr. d. Red.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1898/0472