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496 Psychische Studien. XXV. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1898.)
Hexe im niederdeutschen Sprachgebrauch], dat weit ick, ick
heww se nächtens up'n Hexenring nackedig danzen sehn an
den ollen Puhl, un in't Water springen und swimmen as
'ne Ente. Dat weit* n ok alle, die noch an't Leiwen sin ut
uns* Dorp. Dar wich ick nich von, un dat's woahr, un da
bliew ick ok biP — Der 'Puhl' als Beweisstück fand sich
noch vor, der 'Hexenring* an demselben auch, — es war der
bekannte Ring von Blätterpilzen . . . damals natürlich ein
vermeintlicher Hexentanzplatz . . . Auch der berüchtigte
*Hexenknoten' hatte sich an der unheimlichen Stätte vorgefunden
, wo sie ihre verdächtigen Abendlustbarkeiten
gehabt, — ein ganz seltsam verknotet und verwickelt
Läppchenpack, wie wir es auch in unserem Jahrhundert
noch finden, in welchem bekanntlich die Hexen viel
bescheidener geworden sind und nur selten noch mit fremder
Milch sich zu schaffen machen. Es war vermuthlich ein
zusammengewundenes Blätterpäckchen, das geflügelte
Insekten als Larvenwohnung benutzt hatten; — allein auch
der gelehrte Richter und der geistliche Herr sahen es mit
leisem Grauen auf ihrem Tische liegen und legten den
Finger nicht gern daran, da es doch recht bedenklich sich
anblickte. Hexen werk — fraglos Teufels- und Hexenwerk!
— Dass sie an den Bilwitz glaubte, hatte sie ja durch die
That erwiesen u. s. w." — Und wie heisst es von unseren
Medien heute ? — Praglos alles Aberglaube, Täuschung und
Betrug! — Sind die gelehrten Richter solchen Dingen
gegenüber etwa heute milder und humaner, geschweige
wirklich einsichtiger und gerechter geworden?
Einen erschütternden und selbst noch für unsere Tage
lehrreichen, tragischen Ausgang nimmt der Hexenprozess in
Ernst Remin*s historischem Roman: — „Neue Bahnen4* —
im „Daheim" Nr. 9 v. 3. December 1892. Wir können nur
das Wesentliche davon im Auszug bringen, um sogleich
unsere Bemerkungen daran zu knüpfen. Der Verfasser
glaubt nicht an wirkliche Hexerei und versucht das seltsame
wendische Mädchen als ein Opfer eines blossen Aberglaubens
jener Zeit hinzustellen. Wenn er nun erst wüsste, dass es
wirklich höchst sonderbare nervenphysiologische und psychologische
Zustände giebt, welche die Richter und Theologen
jener Zeit in den Teufelsglauben verstrickten, und dass
selbst heutzutage unsere aufgeklärtesten Behörden in dem
anderen und nicht besseren Wahnglauben, dass dergleichen
Vorgänge pure Täuschung und absichtlicher Betrug seien,
der als Untug hart gestraft werden müsse, befangen sind,
wie ja die Resauer, Lindenauer und Valesca Töpferhzhm
Spukvorgänge und die daraus resultirenden Prozesse uns
genugsam belehren, so würde er die Sache vielleicht noch
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