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Wittig: üeber den Bilwitz-Glauben der alten Wenden. 497
historisch getreuer vertreten haben. Er berichtet jedenfalls
nach einer alten Berliner Chronik: — „Die Zweifel, die
noch (über den Bilwiizglmben und die Hexerei wie Abgötterei
der Angeklagten) bestanden, mussten sich ja wohl
bei weiterer Anwendung der Tortur lichten, wie man Lüe
Bötzow bei der Petzower Voruntersuchung bereits durch
das einfache Mittel, sie an den heissen Backofen zu binden,
die ersten Geständnisse entlockt hatte. — Sehr zu ihren
Ungunsten sprach der Umstand, dass der Teufel sie aus
dem Petzower Kotter (nämlich durch ihren Bruder, einen
bettelnd umherziehenden Landsknecht, gewaltsam) befreit
und unter Zurücklassung des bekannten Teufelsstanks, auch
unter unwürdiger Misshandlung aller Anwesenden entführt,
darauf aber ihren Bruder, den ehemaligen Kr ach f sehen
Dragoner angestiftet, sich für den Entführer und Uebel-
thäter auszugeben, auch die Schwester wieder (von Petzow
nach Cöln-ßerlin) an die Gerechtigkeit auszuliefern. Dass
der alte Soldat lüge, darauf schwuren alle Petzower Stein
und Bein. Sie könnten wohl einen gemeinen Landstreicher
und Gardenbruder von dem leibhaftigen Gottseibeiuns unterscheiden
, [er war nämlich Nachts in Vermummung in das
Petzower Gefängniss eingedrungen, hatte seine Schwester
befreit und die herbeieilenden Wächter, Pfarrer und Leute
gemisshandelt und das Gefängniss angezündet, welches einen
Theil des Ortes mit in Brand und Asche legte, — ReferJ
der in ihres Herrn Pfarrers Leib sichtlich die Hufspur
zurückgelassen, als er den würdigen Herrn ruchloserweise
stiess und umtrat; sie hätten einen Dragoner auch wohl
übermocht trotz der Dunkelheit und sich nicht maul-
schelliren lassen, es sei aber der Böse selbst gewesen, der
unter sie fuhr! — Was will ein Richter machen, der selbst
im Zweifel ist, wenn so ein ganzes Dorf auftritt und
Zeugniss ablegt? Er hat kein Mittel zur Ermittelung der
Wahrheit, als die peinliche Frage. Und so wurde Lise's
junger Leib gequält.4' [Wir sind hierüber ganz anderer
Meinung. Die Richter hätten unseres Erachtens die Pflicht,
Zeugniss gegen Zeugniss zu stellen, wo dergleichen Gegenzeugnisse
vorhanden sind, wie hier das des Dragoners, und
nicht blos einseitig auf das Vorurtheil der Menge oder auf
eigene Denkmöglicbkeit oder -Unmöglichkeit gewisser Erscheinungen
hin zu urtheilen. Wieso die Tortur oder eine
starke Strafe das einzige Mittel hätten sein sollen, um die
Wahrheit in solchen Fällen zu ermitteln, ist uns unerfindlich
. Sie werden doch wohl eher die Wahrheit unterdrücken
helfen und Aussagen erzwingen aus Furcht vor
Bestrafung. — Ref.J
Psvcbische Studien. Oktober 1898. 82
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