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Wolfg. Bohn: Die indische Seelenlehre in ihrer Anwendung etc. 507
Die indische Seelenlehre in ihrer Anwendung auf
Magie und Mystik.
Von Richard Wolfgangf Hohn,
pract. Arzt in Breslau.*)
I.
Wenn vom Himmel ein gewaltiger Blitzschlag nieder
fährt und ein Menschenleben vernichtet, und wenn der
electrische Funke der Dynamomaschine, zwischen zwei
Kohlenspitzen überspringend, den reichen Concertsaal
erleuchtet, so sind es hier wie dort dieselben Naturkräfte,
die in Thätigkeit gerathen sind. Wenn sich in einem
ruhigen Hause plötzlich das Hineinreichen der Geisterwelt
in unsere Sphäre durch Klopftöne und Herumwerfen von
Gegenständen kundgiebt, und wenn wir in einer spiritistischen
Sitzung die Wesen des Astralreiches mit uns
verbinden, so ist es auch hier wie dort dieselbe Kraft, die
in zwei Arten der Erscheinung uns entgegentritt. Aber
zwischen Blitzschlag und Spuk einerseits und Bogenlicht
und spiritistischem Experiment andererseits besteht eine
Kluft: — das grosse trennende Princip ist die Seelen-
thätigkeit des Menschen, die Kraft der in uns wirkenden
Synthese von Verstand und Willen, die unser Bewusstsein
bedingt, und für welche der Indier das schöne Wort
„Manas" hat. Wir haben soeben Manas kennen gelernt in
seiner Einwirkung auf die materielle und ätherische Welt
(Stoff und Kraft unserer Wissenschaft!), die Welt des
„Sbarira", wie der Vedentaphilosoph sich ausdrückt, und
auf die Kräfte der Astralwelt (der Geister des Spiritismus),
auf die Welt des „Kama." Aber zwischen Kama und Stoff
steht noch eine Welt, die Welt der Lebenskraft, der
organisirenden Principien, die Welt des „Prana." Und über
dem Manas, darum von Manas nicht zu beherrschen,
liegt die Welt des höchsten Geistes, „Atmaa, „Boddhi", die
Ebene der göttlichen Urkraft.
Es wird im Folgenden meine Aufgabe sein, kurz über
das Walten des Manas in Beziehung auf die Ebene des
Sharira, der materiellen Welt, des Prana und des Kama
zu berichten, um dann im besonderen auf einzelne Theile
dieser Wirksamkeit — die sogenannte Magie — ausführ-
*) Wir dürfen mit Genehmigung des Herrn Verfassers jetzt den
Schleier seiner früheren, durch die Verhältnisse gebotenen Pseudonymität
Iftften und unseren Lesern mittheilen, dass der ehemalige Herr Richard
Wolf und Herr Richard Wolfgang Bohn identisch sind. —
Der Sekr. d. Red.
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