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Bormaim: Die Zeugnisse für die Weissagungen Cazotte's etc. 513
denn z. B. das Gespräch über Gott und Homer in seiner zufälligen
Verknüpfung durchaus nicht wie eine Erdichtung aussieht, und
vor allem ist ja klar, dass Laharpe} wann immer er diese
Aufzeichnungen machte, sie in gar keinem Falle vor der
französischen Revolution veröffentlichen konnte. Dass Laharpe
sie, so lange er Freigeist war, erdichtet hätte, ist allerdings
unglaublich; nicht aber, dass er sie als solcher noch verfasst
und ihrer Merkwürdigkeit halber niedergeschrieben hätte.
Gleichwohl ist die Frage über die Echtheit dieser Prophezeiungen
nicht so ohne Weiteres entschieden, wie Jung-Stilling
zwei Jahre nach ihrer Herausgabe meint, und es sind in
der Folge ebenso manche Bedenken dagegen, wie auch noch
weitere Bestätigungen dafür, in's Gefecht geführt worden.
Wenn man zunächst sogar die von Laharpe selbst
geschehene Aufzeichnung anzweifelte, weil die Veröffentlichung
erst nach seinem Tode erfolgte, so wurde dies
wenigstens bestimmt festgestellt, dass die Niederschrift von
Laharpe $ eigener Hand vorhanden war, die sich im Besitz
eines Herrn Boulard oefand. Dagegen stellte sich weiter
heraus, dass diese Niederschrift Laharpe'* noch einen Zusatz
enthielt, welchen der Verleger, indem er ihn mit zwei dicken
balkenähnlichen Strichen von dem Uebrigen abtrennte, zu
unterdrücken für gut befunden. Die Zeitschrift „L'lmprimerie"
machte nun auch diesen Zusatz 1820 nach Mittheilung des
Herrn Boulard, des Besitzers des Autographen, in Nr, 40
bekannt. Wie ich ihn in's Deutsche übertrage, lautet er: —
„Jemand hat mir gesagt: — ,Das wäre wahr? Das,
was Sie mir da erzählen, wäre wahr?' — Was nennt ihr
denn wahr? Habt ihr es denn nicht gesehen mit euren eigenen
Augen? — ,Ja, die Thatsachen; aber die Prophezeiung,
eine so ausserordentliche ProphezeiungV — Da3 will sagen,
dass alles, was euch daran höchstens wunderbar erscheint,
die Prophezeiung ist. Ihr täuscht euch zweifellos; die
Kenntniss der Zukunft gehört nur Gott, und keiner ist
Prophet, es wäre denn durch Gottes Eingebung. Allein das
ist kein so ganz seltenes Wunder. Gott hat davon tausend
verbürgte Beispiele gegeben, und es widerstreitet keiner
moralischen, noch philosophischen Anschauung, dass er die
Kenntniss der Zukunft, wem es ihm gefällt, mittheilen könne.
Dagegen ein Wunder oder vielmehr eine Menge von Wundern,
die in ganz anderer Weise aussergewöhnlich sind, das ist
diese Häufung von unerhörten und ungeheuerlichen Thatsachen
, die jedweder bisher bekannten Anschauung widerstreiten
, welche alle menschlichen Begriffe von Grund aus
umstürzen, sogar im Schlechten und in dem, was man von
den Verbrechen des Menschen wusste. Seht, das ist das
Psychische Studien. Oktober 1898. 33
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